Der maßgebliche Vorteil der Quantencomputer liegt darin, dass keine diskreten Zustände gemessen und verglichen werden, sondern mit Zustandswahrscheinlichkeiten gearbeitet wird. Dadurch kann eine exponentiell höhere Zahl an Zuständen dargestellt und eine exponentiell höhere Rechenleistung realisiert werden. Ebenso exponentiell steigt in der Folge auch das Risiko, Opfer eines Hackerangriffs zu werden.
Wann werden Quantencomputer zur Bedrohung für die Cybersicherheit?
Vorangetrieben wird die Entwicklung der Quantencomputer neben führenden Forschungseinrichtungen von Universitäten unter anderem von großen Technologiefirmen wie IBM, Google und Microsoft. So hat IBM im November 2021 einen neuen Quantencomputer vorgestellt. Statt über 65 Qubits, wie bisher üblich, verfügt er über 127 Qubits, was die Rechenleistung in neue Größenordnungen hebt. MIT und Harvard haben ein System mit 256 Qubits realisiert. Bereits 100 Qubits können mehr Zustände darstellen, als es Atome auf der Erde gibt. Ab 267 Qubits geht man davon aus, dass Quantencomputer mehr Zustände abbilden können, als Wissenschaftler die Anzahl der Atome im Weltall schätzen; in etwa 1080 Zustände.
Noch im Jahr 2022 sollen laut IBM Quantencomputer mit 433 und 1.121 Qubits folgen. Den Bau von Quantensystemen mit 1 Million Qubits sagen Experten bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts voraus. Zu diesem Zeitpunkt – so die Prognose von Technologiefirmen wie IBM und Microsoft – wird die Quantentechnologie kommerziell weit verbreitet und standardmäßig nutzbar sein. Spätestens dann wird auch die erhöhte Sicherheitsbedrohung, die von ihr ausgeht, allgegenwärtig sein.
Angesichts dieser Entwicklungen lautet die Antwort auf die von Firmen häufig gestellte Frage „Wann wird die Bedrohung durch die Quantentechnologie Realität?“: Waren Quantencomputer bis vor einigen Jahren noch eine schillernde Zukunftsvision von Forschern, rücken insbesondere die Entwicklungen der vergangenen drei Jahre ihren künftigen Einsatz in greifbare Nähe. 2019 markierte mit der Proklamation von Quantenüberlegenheit früher als von vielen Experten erwartet einen Meilenstein in der Entwicklung des Quantencomputings. Es wurde nachgewiesen, dass Quantencomputer komplexe Problemstellungen lösen können, die für klassische Computersysteme technologisch und/oder zeitlich bisher unlösbar waren. Mit diesem Ausblick steigerte sich die Attraktivität von Investitionen in die Quantentechnologie-Entwicklung deutlich.
Wer hat Zugriff auf Quantencomputer?
Neben den großen Technologiefirmen gibt es zum Beispiel Startups und Universitäten, die über Quantenrechner verfügen. Viele Staaten bzw. Staatenvereinigungen – darunter die USA, China, Japan und die EU – investieren Milliardensummen in die Entwicklung der neuen Quantentechnologie. In absehbarer Zukunft wird es jedoch nicht so sein, dass jede Privatperson und jeder Hacker einen Quantencomputer besitzt – allein aufgrund der Kosten und der physikalischen Bedingungen, die ein solcher Rechner heute noch benötigt. So müssen beispielsweise bestimmte sehr leistungsstarke Typen von Quantencomputern nahezu auf die tiefstmögliche Temperatur von 0 Kelvin, das sind –273,15 Grad Celsius, heruntergekühlt werden. Dafür braucht es aufwändige und große Kühlungen. Was aber bereits jetzt angeboten und in Zukunft zunehmen wird, sind Cloud-Services, die von Unternehmen wie IBM, Microsoft, Amazon und Google bereitgestellt werden und Firmen, Institutionen und Privatpersonen den Zugang zur Quantentechnologie ermöglichen. Zu diesen Cloud-Services können sich Hacker Zugang verschaffen.
Welche konkreten Cyberrisiken gehen von der Quantentechnologie aus?
Einige der durch die Quantentechnologie drohenden Cybergefahren lassen sich bereits heute absehen. So werden bestimmte gängige kryptografische Chiffrierungen in naher Zukunft nahezu nutzlos sein, da sie von Quantensystemen spielend leicht gehackt werden können. Dazu zählen praktisch alle asymmetrischen kryptografischen Verschlüsselungen wie das häufig eingesetzte RSA-Verfahren. Angreifbar werden dadurch zahlreiche täglich genutzte Lösungen wie VPN-Netzwerke, E-Mail-Systeme, Online-Banking und digitale Signaturen. Beispielrechnungen zeigen das Ausmaß der Bedrohung: Für die Primfaktorzerlegung einer RSA-Verschlüsselung mit einer Schlüssellänge von 2.048 Bits würde ein herkömmliches Computersystem heute theoretisch 100.000 Jahre benötigen, wohingegen ein Quantencomputer diesen Schlüssel in weniger als zwei Minuten dechiffrieren kann, sobald die Hürde von 80 stabilen Qubits erreicht ist.
Abzuwehren gilt es aber nicht nur Echtzeitangriffe, denen Firmen zunehmend ausgesetzt sein werden. Eine große Gefahr besteht in „Harvest now – decrypt later“-Verfahren. Das bedeutet: Angreifer können verschlüsselte Daten heute schon sammeln und kopieren, um sie später mit Zugang zu Quantensystemen zu entschlüsseln. Auch wenn viele der Daten in Zukunft nicht mehr sicherheitsrelevant sein werden, sind insbesondere sensible Daten von Regierungen und öffentlichen Einrichtungen sowie Daten aus Branchen mit langen Forschungs- und Entwicklungszyklen wie der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt und dem Life-Sciences-Sektor enorm gefährdet.