„Die aktuelle Entwicklung des Start-up-Ökosystems in Österreich hat zwei Seiten: Zum einen ist ein Anstieg der Finanzierungsrunden auf einen neuen Höchstwert in diesem herausfordernden Umfeld ein starkes Signal. Auf der anderen Seite gibt es, wie momentan überall auf der Welt, einen deutlichen Rückgang der Mega-Runden und Volumina, die in Österreich sehr stark von rein international besetzten Investorengruppen getrieben sind. Zwar gab es 2023 so viele rein von internationalen Investorengruppen getragene Runden wie noch nie, allerdings in früheren Phasen und mit deutlich geringeren Volumina“, so Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich.
„Internationale Geldgeber:innen sind nach wie vor sehr aktiv in Österreich, der Fokus verschiebt sich aber auf frühphasigere Investments und kleinere Finanzierungsrunden. Gerade für stark wachsende Start-ups und Scale-ups ist das eine gefährliche Entwicklung: Bei Wachstumsfinanzierungen können einheimische Investor:innen oft (noch) nicht, internationale Geldgeber:innen wollen aktuell nicht. Ziel muss es sein, dass heimische Start-ups auf Wachstumskurs das Kapital bekommen, das sie für ihre Skalierung benötigen – und dass der Anteil der heimischen Investor:innen dabei deutlich steigt“, so Haas weiter.
Internationale Investor:innen nehmen Frühphasen-Start-ups ins Visier
An den 165 Finanzierungsrunden in 2023 waren mindestens 478 öffentlich kommunizierte Investor:innen beteiligt. Immerhin 291 dieser namentlich bekannten Investor:innen haben ihren Firmenhauptsitz in Österreich – das sind wie im Vorjahr 61 Prozent. Am zweithäufigsten waren Investor:innen mit Hauptsitz in Deutschland vertreten (59). Es folgen Investor:innen aus den USA (40) und der Schweiz (15).
Der Anteil an Finanzierungsrunden, bei denen (auch) österreichische Investor:innen beteiligt waren, sank 2023 auf 62 Prozent nach 75 Prozent im Vorjahreszeitraum. Auch der Anteil an Finanzierungsrunden, die rein von österreichischen Investor:innen getragen werden, ging von 48 Prozent im Jahr 2022 auf 40 Prozent zurück. Dementsprechend gab es beim Anteil an Finanzierungsrunden mit rein internationalen Investor:innen auch fast eine Verdoppelung von 15 Prozent in 2022 auf 28 Prozent. Bei 19 der 184 insgesamt gezählten Deals liegen keine Angaben zu den Investor:innen vor.
„2023 war der Anteil an Finanzierungsrunden ohne österreichische Beteiligung so hoch wie noch nie, gleichzeitig ging der Anteil am Volumen, das von internationalen Investor:innen in Österreichs Start-ups geflossen ist, stark zurück. Anstatt Wachstumsrunden zu stemmen, fokussieren internationale Geldgeber:innen stärker auf die Pre-Seed und Seed-Phase und treten damit mit Frühphaseninvestor:innen aus Österreich in Konkurrenz“, so Haas.
Je größer die Runde, desto geringer der Anteil an österreichischen Geldgeber:innen
Trotz des wachsenden Anteils an internationalen Geldgeber:innen in den Frühphasen dominieren immer noch heimische Investor:innen. Der durchschnittliche Anteil inländischer Investor:innen ist mit 70 Prozent am höchsten bei Pre-Seed-Finanzierungsrunden. Bei Seed-Runden liegt dieser Anteil bei 61 Prozent. Bei den höheren Finanzierungsrunden (Series A, Series B und Series C) hingegen ist jeweils weniger als durchschnittlich jede:r dritte:r Investor:in inländisch.
„Trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds, das sowohl die Start-ups und Scale-ups als auch die Investor:innenen heuer sehr herausforderte, konnte erfreulicherweise die Anzahl der Finanzierungsrunden um 22 Prozent erhöht werden. Sieht man von den beiden Ausnahmejahren 2021 und 2022 ab, ist auch das Finanzierungsvolumen stetig gestiegen: von 2020 auf 2023 um 165 Prozent. Das zeigt, dass sich diese Assetklasse in Österreich etabliert hat. Leider sind die erfolgreichen Scale-ups für ihre Wachstumsfinanzierungen aber immer noch auf großteils ausländische Investorengruppen angewiesen. Darum werden wir auch nicht müde, steuerliche Anreizsysteme für privates Risikokapital nach internationalem Vorbild zu fordern, um das in Österreich vorhandene private Kapital zu mobilisieren und in wichtige Zukunftsthemen zu lenken. Gerade in dieser Zeit der multiplen Krisen wäre das ein wichtiger Schritt“, kommentiert Daniela Haunstein, Managing Director von invest.austria.
„Die Anschubfinanzierung funktioniert in Österreich traditionell sehr gut und hat sich auch im schwierigen Jahr 2023 sehr gut entwickelt: Mehr heimische Investor:innen denn je haben in mehr heimische Start-ups denn je finanziert. Die Kehrseite der Medaille: Ohne internationale Investorengruppen sind Wachstumsfinanzierungen immer noch schwer oder gar nicht zu stemmen, was gerade Scale-ups in eine schwierige Situation bringt. Nur eine nachhaltige Stärkung des heimischen Kapitalmarkts und dringend notwendige Anreize für Risikokapital-Investitionen von Privatpersonen und institutionellen Investor:innen können langfristig internationales Wachstum antreiben“, so Haas.
Bei den insgesamt 14 Finanzierungsrunden mit einem Finanzierungsumfang von mehr als zehn Millionen Euro, bei denen Angaben zu den Investor:innen vorliegen, lag die Quote inländischer Kapitalgeber:innen bei insgesamt nur 24 Prozent (17 von insgesamt 72 Investor:innen). Anders bei den kleineren (bis eine Million Euro) und mittelgroßen (zwischen einer und zehn Millionen Euro) Finanzierungsrunden: Bei den kleineren Finanzierungsrunden lag die Quote der inländischen Investor:innen bei 75 Prozent (166 von insgesamt 222 Investor:innen) und bei den mittelgroßen Abschlüssen lag die Quote inländischer Kapitalgeber:innen noch bei 57 Prozent (90 von 158 Investor:innen).
Österreichische Geldgeber:innen investieren in Landwirtschaft und Hardware
Am höchsten war 2023 der Anteil an Inlandsinvestor:innen im Bereich AgTech, wo 83 Prozent der Kapitalgeber:innen ihren Hauptsitz in Österreich haben. Ebenfalls überdurchschnittlich hoch lag die Quote der Inlandsinvestor:innen in den Bereichen Hardware (71 %), PropTech (67 %), FinTech/InsurTech (65 %) und Software & Analytics (62 %). Am niedrigsten war 2023 der Anteil der Inlandsinvestor:innen im Bereich Energy mit nur einem Drittel (33 %).