Warenkreditversicherungen und bisherige umsatzsteuerliche Einordnung
Warenkreditversicherungen sollen Unternehmer vor Zahlungsausfällen ihrer Kunden schützen. Im Versicherungsfall ersetzt die Versicherung vertragsgemäß den beim Unternehmer als Leistungserbringer eingetretenen Vermögensschaden. Umsatzsteuerlich ging man in Österreich dabei bis Ende 2023 davon aus, dass sowohl der Unternehmer den für die Warenlieferung geschuldeten Steuerbetrag als auch der Kunde einen etwaigen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen hatten. Die Versicherungsleistung wurde als nicht umsatzsteuerbar angesehen.
Beispiel – Vorgehensweise bis inklusive 2023:
Unternehmer A liefert Waren im Wert von EUR 1.000 + EUR 200 USt an den unternehmerischen Abnehmer B. A schließt eine Warenkreditversicherung mit 80% Deckungsquote vom Nettowert ab. Da B zahlungsunfähig ist, kommt es zu einer Zahlung der Versicherung iHv EUR 800.
Hinsichtlich des Entgelts iHv EUR 1.000 kommt es infolge der Uneinbringlichkeit der Forderung zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 UStG. A kann die abgeführte Umsatzsteuer iHv EUR 200 vom FA zurückverlangen, während B den geltend gemachten Vorsteuerabzug iHv EUR 200 zu berichtigen hat. Die Zahlung der Versicherung iHv EUR 800 ist nicht umsatzsteuerbar.
Änderungen durch den UStR-Wartungserlass 2023
Mit dem UStR-Wartungserlass 2023 wurde das EuGH-Urteil vom 9.2.2023, C-482/21, Euler Hermes, zur umsatzsteuerrechtlichen Qualifikation der Ersatzzahlung der Versicherung für eingetretene Versicherungsfälle in Rz 17 UStR 2000 eingearbeitet. Seither gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung der im Schadensfall an den leistenden Unternehmer bezahlte Geldersatz als „Entgelt“ (dritter Seite) für die versicherten, steuerbaren Umsätze. Insoweit darf der leistende Unternehmer ab dem 1.1.2024 keine Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages nach § 16 UStG vornehmen - korrespondierend zum Vorsteuerabzug des Abnehmers.
Fortsetzung Beispiel – Vorgehensweise iSd Rz 17 UStR 2000 ab 2024:
Die Zahlung der Versicherung iHv EUR 800 tritt an die Stelle des Entgelts inklusive USt für die Lieferung von A an B (= Entgelt dritter Seite). Die Forderung ist nur teilweise, dh im Ausmaß von netto EUR 333,33 bzw brutto EUR 400 (EUR 1.200 – EUR 800) uneinbringlich, eine Änderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 UStG kommt nur insoweit in Betracht.
A kann die auf den uneinbringlichen Teil entfallende Umsatzsteuer iHv EUR 66,67 (= EUR 333,33 * 20%) vom FA zurückverlangen, während B den geltend gemachten Vorsteuerabzug anteilig in derselben Höhe zu berichtigen hat.
Durch die geänderte Sichtweise der Finanzverwaltung ab 2024 kommt es zu einer USt-Belastung für A iHv EUR 133,33 (EUR 200 ursprünglich abgeführte USt – korrigierte USt iHv EUR 66,67), dies entspricht 16,67% der erhaltenen Versicherungssumme iHv EUR 800.
Ab 1.1.2024 werden also geleistete Schadenszahlungen von Warenkreditversicherungen umsatzsteuerlich als Entgelt für die vom Versicherten erbrachten steuerpflichtigen Umsätze qualifiziert. Es ist insoweit daher nicht mehr von einer „Nichtzahlung“ des ursprünglichen Entgelts, sondern von der Entgeltzahlung eines Dritten auszugehen. Eine Umsatzsteuerkorrektur ist insoweit nicht zulässig.
Handlungsempfehlung ab 2024
Um vor dem Hintergrund der geänderten österreichischen Verwaltungspraxis künftig einen potentiellen Forderungsausfall vollständig ohne Umsatzsteuerschaden abzusichern, ist eine Umstellung bestehender Versicherungsverträge auf bzw der Abschluss von Bruttoversicherungsverträge(n) mit 100% Deckungsquote zu empfehlen.
Fortsetzung Beispiel – Bruttoversicherung mit 100% Deckungsquote
Wäre eine Versicherungszahlung iHv EUR 800 zzgl anfallender Umsatzsteuer (dh gesamt EUR 960) vereinbart, käme es für A zu einer USt-Belastung iHv EUR 160. Wäre hingegen eine Versicherungszahlung mit 100%iger Deckungsquote iHv EUR 1.000 zzgl anfallender Umsatzsteuer (dh gesamt EUR 1.2000) vereinbart, könnte ein Umsatzsteuerschaden verhindert werden, da die zu entrichtende Umsatzsteuer von der Versicherung gezahlt werden würde.
Die Neuregelung gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung ab 1.1.2024, es können sich dabei zeitliche Abgrenzungsprobleme ergeben, etwa wenn die Uneinbringlichkeit einer Forderung schon im Jahr 2023 feststand, der Zahlungseingang der Versicherung aber erst 2024 erfolgte. Für solche und weitere Detailfragen zur neuen Regelung stehen Ihnen Ihre EY-Indirect Tax Experten gerne beratend zur Seite.
01.08.2024