Die Europäische Kommission hatte eine Reform der Energiesteuerrichtlinie bereits im Mai 2021 in ihrer Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert angekündigt. Die EU-Energiesteuerrichtlinie (aktuelle Fassung: 2003/96/EG) gibt Rahmenbedingungen für die Mitgliedstaaten zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vor. Nun kursiert ein inoffizieller Entwurf zur Neufassung der Richtlinie. Ein offizieller Entwurf der EU-Kommission wird für Mitte Juli 2021 erwartet.
Die anstehende Reform der Richtlinie beruht im Wesentlichen auf zwei Beweggründen. Aus Sicht der Europäischen Kommission trägt die aktuelle Richtlinie nicht mehr ausreichend zum Funktionieren des Binnenmarktes bei. Zahlreiche abweichende Steuersätze und das umfangreiche Gebrauchmachen von optionalen Steuerbefreiungen in den Mitgliedstaaten führten zu einer Fragmentierung. Weiterhin passe der Regelungsgehalt der aktuellen Fassung nicht mehr in die heutige Energie- und Klimaschutzpolitik der EU. Seit Einführung der Richtlinie im Jahre 2003 haben sich der rechtliche Rahmen, die Wahrnehmung und Einstufung des Themas und auch die technischen Möglichkeiten erheblich gewandelt. Als Teil des Europäischen Green Deals (und des darauf beruhenden sog. „Fit for 55“-Gesetzespakets) wird in dem Entwurf der neuen Richtlinie dementsprechend der Fokus auf klimaorientierte Besteuerung gelegt.
Dieser Gedanke findet sich in dem inoffiziellen Entwurf der neugefassten Richtlinie an diversen Stellen wieder. Zunächst ändert sich der Anknüpfungspunkt der Besteuerung grundlegend, da ein Energieerzeugnis nun anhand des Nettoheizwerts („net calorific value“) und der damit einhergehenden Umweltleistung besteuert werden soll. Als weiteres Beispiel hierfür sollen Steuerbegünstigungen künftig zur Erreichung der Umweltziele unschädlich sein müssen (z.B. durch die Bevorzugung von „umweltfreundlichen“ KWK-Anlagen).
Dazu passend sieht der Entwurf die Streichung diverser Ausnahmen von der Besteuerung vor. Demnach würde sich der Anwendungsbereich der Richtlinie vergrößern. Die prominenteste Aufnahme in den Anwendungsbereich der Richtlinie stellt der Luftfahrtbereich dar. Im Rahmen der Neufassung ist eine Besteuerung für die Energieerzeugnisse vorgesehen, die zur Verwendung als Kraftstoff für Luftfahrtzeuge geliefert werden. Zuvor war dies nicht verpflichtend (entsprechend besteht in Deutschland mit dem § 27 EnergieStG eine Befreiungsnorm für die Schiff- und Luftfahrt). Dies soll für Flüge gelten, die innerhalb der Europäischen Union beginnen und enden. Ausgenommen davon ist Kraftstoff, der für Geschäfts- oder Vergnügungsflüge oder für Frachtflüge genutzt wird. Nach dem aktuellen Entwurf soll es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen, ob sie eine Besteuerung des Kraftstoffs auch auf Flüge mit Drittlandsbezug erheben wollen. Ebenfalls können auch intra-EU-Frachtflüge besteuert werden. Die vorgesehenen Mindeststeuerbeträge für Kerosin sollen anfänglich bei null liegen und über zehn Jahre hinweg jährlich um ein Zehntel der finalen Mindestsätze steigen.
Eine Anwendung der Richtlinie ist ab 2023 angedacht. Für sie ist das besondere Gesetzgebungsverfahren vorgesehen, sodass eine Einstimmigkeit im EU-Ministerrat notwendig ist. Der offizielle Entwurf der Richtlinie bleibt abzuwarten. Auch die darauffolgende Ausgestaltung der Umsetzung der Vorgaben in die nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten ist aktuell noch nicht absehbar.
Unternehmen, die aktuell von Energiesteuerentlastungen und Befreiungen profitieren, sind angehalten, sich mit den avisierten Rechtsänderungen zu befassen, um perspektivisch den Wegfall bzw. das Abschmelzen von Begünstigungen zu planen bzw. Investitionen und Strukturen so auszurichten, dass diese auch zukünftig weiter begünstigungsfähig sind.
Zu beachten sind im Sachzusammenhang auch die ebenfalls öffentlich gewordenen Entwürfe der Verordnungen zum EU-CO 2-Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment, kurz „CBAM“) (siehe eNewsletter Tax vom 11.06.2021) und zur Reform des EU-Emissionshandelssystems.