Verfassungsmäßigkeit der Weitergeltung des „Soli“ in 2020 und 2021

Der BFH hat gegen die Fortführung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 (noch) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der BFH sah in dem entschiedenen Fall damit auch keinen Grund, die Frage der Verfassungsmäßigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. 

Der BFH hält die Erhebung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 für noch nicht verfassungswidrig (BFH-Urteil vom 17.01.2023, IX R 15/20). Der IX. BFH-Senat ist nicht zu der für eine Vorlage an das BVerfG erforderlichen Überzeugung gelangt, dass der Solidaritätszuschlag in den Streitjahren 2020 und 2021 als nicht mehr verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer i.S. von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG anzusehen ist.

Laut BFH darf der Soli als Ergänzungsabgabe trotz des im Jahr 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch ab dem Jahr 2020 weiter erhoben werden. Der wiedervereinigungsbedingte zusätzliche Finanzierungsbedarf des Bundes bestehe in den Jahren 2020 und 2021 fort (z.B. im Bereich der Rentenversicherung). Da der ursprüngliche Zweck damit für 2020 und 2021 noch nicht entfallen war, komme es für den BFH auch nicht auf eine mögliche Umwidmung des Soli für die Finanzierung der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Kriegs an. Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2115) werde deutlich, dass der Gesetzgeber den Soli nicht dauerhaft, sondern nur für eine Übergangszeit (die für den BFH jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach dessen Einführung noch nicht abgelaufen sei), erheben will. Dabei ist es für den BFH verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung, dass ab dem Jahr 2021 aufgrund erhöhter Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet werden, sieht der BFH als gerechtfertigt an.

Damit sah der BFH keine Gründe für eine Vorlage an das BVerfG. Abzuwarten bleiben die Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren unter IX R 9/22 (Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2022, 10 K 1693/21) sowie die Positionierung des BVerfG zu der Verfassungsbeschwerde unter 2 BvR 1505/20. Des Weiteren besteht für die Kläger die Möglichkeit, gegen die vorliegende Entscheidung des BFH mit einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG vorzugehen.

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