USt-Organschaft auch bei Mehrheitsbeteiligung ohne Stimmrechtsmehrheit

Der BFH folgt dem EuGH und ändert seine bisherige Sichtweise zu den Voraussetzungen der für eine umsatzsteuerliche Organschaft u.a. erforderlichen finanziellen Eingliederung. Wie der EuGH ist nun auch der BFH der Auffassung, dass der Organträger über die Mehrheitsbeteiligung hinaus nicht zusätzlich die Stimmrechtsmehrheit innehaben muss. 

Für das Vorliegen der sog. finanziellen Eingliederung gehen deutsche Rechtsprechung und Finanzverwaltung bisher davon aus, dass der Organträger über die Stimmrechtsmehrheit an der jeweiligen Organgesellschaft verfügen müsse. Anders der EuGH, der diese Stimmrechtsmehrheit des Organträgers nicht für erforderlich hält, sofern der Organträger ansonsten seinen Willen als Gesellschafter durchsetzen kann (EuGH-Urteil vom 01.12.2022, C-141/20, vgl. Steuernachricht vom 01.12.2022).

Dem folgt nun der BFH und ändert in diesem Punkt seine bisherige Sichtweise (BFH-Urteil vom 18.01.2023, XI R 29/22). Der BFH betont aber, dass er weiterhin für erforderlich halte, dass der Organträger Mehrheitsgesellschafter ist. Weiterhin sei eine finanzielle Eingliederung ohne Stimmrechtsmehrheit eine schwach ausgeprägte. Sie müsse durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ausgeglichen werden.

Der BFH wies zudem darauf hin, dass seine Entscheidung nichts am Erfordernis der „eigenen Mehrheitsbeteiligung“ ändere, so dass eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften (ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters) auch weiterhin nicht in Betracht komme.

Die Änderung der Sichtweise des BFH ist von wesentlicher Bedeutung. Denn nunmehr können Gesellschaften als Organgesellschaften in den Organkreis auch ohne Stimmrechtsmehrheit der Organträgerin in die Organschaft eintreten. Das bedeutet aber auch, dass nicht nur Steuerpflichtige prüfen können, ob eine bisher ausgeschlossene Gesellschaft in die Organschaft eintreten kann. Auch Steuerpflichtige, die eine Gesellschaft aus der Organschaft heraushalten wollen, müssen prüfen, ob diese nun „hineinrutscht“.

Abzuwarten bleibt auch die Reaktion der Finanzverwaltung. Sofern auch sie ihre Auffassung ändert, wird von Interesse sein, ob sie eine Nichtbeanstandungsregelung für die Vergangenheit und ggf. für einen künftigen Übergangszeitraum einräumt. Für die Vergangenheit kommt bis zu der nun ergangenen Entscheidung ggf. auch Vertrauensschutz gemäß § 176 AO in Betracht.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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