Im Zuge der handelsrechtlichen Änderungen durch das BilMoG bestand die Möglichkeit, nach altem Recht gebildete Rückstellungen der Höhe nach beizubehalten, soweit der aufzulösende Betrag bis Ende 2024 wieder zugeführt werden müsste. Der BFH urteilt nun, dass diese höheren Rückstellungswerte auf die Steuerbilanz durchschlagen, sofern die steuerliche Deckelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG auf den handelsrechtlichen Wert greift.
Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 20.11.2019 bestätigt, dass der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung auch nach Inkrafttreten des BilMoG durch die "höchstens insbesondere"-Formulierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG gegenüber einem ggf. höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze bildet. Bislang war höchstrichterlich jedoch noch nicht geklärt, ob bei der Deckelung des Steuerbilanzwerts auf den handelsrechtlichen Rückstellungsbetrag das in der Handelsbilanz ausgeübte Beibehaltungswahlrecht nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB den für die Deckelungsprüfung heranzuziehenden Wert beeinflusst. Diese Frage ist in Fällen relevant, in denen die handelsrechtliche Rückstellungsbewertung den steuerlichen Bilanzwert unterschreitet. Ein typischer Anwendungsfall sind Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen, die handelsrechtlich über einen Zeitraum bis zum Ende der Erfüllung abzuzinsen sind, während steuerrechtlich eine Abzinsung nur bis zum Beginn der Erfüllung vorgesehen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG).
Im Entscheidungsfall hatte eine GmbH & Co. KG eine Rückstellung für ihre in der Nachsorgephase befindlichen Deponien zu bilden und übte bei der Bewertung das Beibehaltungswahlrecht nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB aus. Mit dieser Übergangsregelung hat der Gesetzgeber betroffenen Unternehmen beim Übergang auf die neue Rechtslage nach Inkrafttreten des BilMoG trotz geänderter Bewertungsmaßstäbe die Möglichkeit eingeräumt, eine bis zum 31.12.2009 nach altem Recht gebildeten Rückstellungen der Höhe nach beizubehalten, soweit der aufzulösende Betrag spätestens bis zum 31.12.2024 wieder zugeführt werden müsste. Mit Urteil vom 09.03.2023 (IV R 24/19) hat der BFH nun entscheiden, dass die Deckelung des Steuerbilanzwertes durch den Handelsbilanzwert für Nachsorgerückstellungen auch nach Inkrafttreten des BilMoG maßgeblich und das Beibehaltungswahlrecht aus dem EGHGB auf diese Fälle anwendbar und für die Deckelungsprüfung zu beachten ist.
Laut Auffassung des BFH steht das Normverständnis des Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB im Einklang mit der Grundsatzrechtsprechung des BFH zum Verhältnis von handelsrechtlichen und steuerrechtlichen (Passivierungs-) Wahlrechten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 03.02.1969 GrS 2/68). Eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Beibehaltungswahlrecht unterbleibt schon angesichts der Tatsache, dass sich das Beibehaltungswahlrecht des Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB als intertemporales Rechtsanwendungswahlrecht bereits dem Grunde nach von einem materiellen Ansatz- oder Bewertungswahlrecht unterscheide. Auch bei Ausübung des Wahlrechts komme es zu einem nach Maßgabe des "alten Rechts" GoB-konformen und somit maßgeblichen handelsrechtlichen Wertansatz. Zum anderen finde sich die steuerrechtliche Grundlage für die Anerkennung des Wahlrechts in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Die Regelung mit dem "höchstens insbesondere"-Verweis im Wortlaut nehme Bezug auf den Handelsbilanzwert der Rückstellung und schreibe diesen als Obergrenze fest. Insofern kann der Steuerpflichtige hier auch nicht zwischen mehreren vertretbaren Rechtsansichten zur Bewertung der Rückstellung wählen. Der Auffassung der Finanzverwaltung, nach der aus der Tatsache, dass der Richtliniengeber eine Billigkeitsregelung für erforderlich hielt, bereits gefolgert werden könne, dass das Beibehaltungswahlrecht steuerlich unmaßgeblich sei, folgt der BFH nicht.
Der BFH hat die Sache zur Klärung weiterer Fragen an das FG zurückverwiesen.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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