Neue Regeln für Mitarbeiterbeteiligungen und Finanzmärkte durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz

Nach Veröffentlichung eines Referentenentwurfs im April hat das Zukunftsfinanzierungsgesetz weiteren Schliff bekommen. Der nunmehr am 16.08.2023 beschlossene Regierungsentwurf sieht neben einem geänderten steuerlichen Regelwerk für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auch kapitalmarktrechtliche und gesellschaftsrechtliche Neuerungen vor.

Kernstück des geplanten Zukunftsfinanzierungsgesetzes (vgl. zum Referentenentwurf EY-Steuernachricht vom 06.04.2023) sind unter anderem umfangreiche steuer-, gesellschafts- und finanzmarktrechtliche Maßnahmen zur Modernisierung des Kapitalmarkts und ein erleichterter Kapitalmarktzugang für Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU).

Geänderte steuerliche Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz sollen auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen verbessert werden. Hierzu soll zum einen der Freibetrag in § 3 Nr. 39 EStG, unter dem der Vorteil des Arbeitnehmers aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung bestimmter Vermögensbeteiligungen steuerfrei ist, von derzeit 1.440 Euro auf 5.000 Euro pro Kalenderjahr angehoben werden. Beteiligungen von über 2.000 Euro pro Kalenderjahr müssen allerdings zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden (Zusätzlichkeitserfordernis). Weiterhin sollen bei einer Veräußerung oder unentgeltlichen Übertragung innerhalb von drei Jahren gemäß einem neuen § 20 Abs. 4b EStG steuerfrei gewährte Vorteile aus nach § 3 Nr. 39 EStG erhaltenen Vermögensbeteiligungen nicht zu den Anschaffungskosten zählen und würden dadurch nachträglich als Kapitalerträge versteuert werden. Unveränderte Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Vermögensbeteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis stehen.

Zum anderen ist geplant, den Anwendungsbereich der Regelung zur aufgeschobenen Besteuerung (§ 19a EStG) auszuweiten. Nach der durch das Fondsstandortgesetz eingefügten Norm wird die Besteuerung der geldwerten Vorteile aus bestimmten Vermögensbeteiligungen zur Vermeidung eines sog. „dry income“ unter bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben (etwa bis zum Zeitpunkt der Veräußerung). Dessen Anwendungsbereich soll nun erweitert werden. Unter anderem sollen künftig auch vom Gesellschafter des Arbeitgebers gewährte Vermögensbeteiligungen erfasst sein, sowie auch vergünstigte Überlassungen innerhalb eines Konzerns i.S.d. § 18 AktG (wie bereits heute schon in § 3 Nr. 39 EStG).

Für die Anwendung der Regelungen sollen – mit Blick auf Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme – die doppelten (statt bisher einfachen) KMU-Schwellenwerte maßgeblich sein; mit Blick auf die Mitarbeiterzahl die vierfachen Schwellenwerte. Dabei soll es ausreichen, wenn die Schwellenwerte bei Übertragung oder in einem der letzten sechs Kalenderjahre (statt bislang nur im letzten) nicht überschritten wurden. Die zeitlichen Komponenten sollen darüber hinaus angepasst werden (unter anderem Verlängerung des maßgeblichen Gründungszeitraums von bisher zwölf auf künftig 20 Jahre; Verlängerung des spätestmöglichen Zeitpunkts der aufgeschobenen Besteuerung bei nicht vorhandenen besonderen Tatbeständen auf 20 Jahre). Die im Referentenentwurf noch vorgesehene Möglichkeit der Pauschalversteuerung, wenn der Arbeitgeber die Haftung für die bei Verkauf entstehende Steuer übernimmt, wurde jedoch gestrichen.

Geplante kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

Der Regierungsentwurf beabsichtigt, den Standort Deutschland für nationale und internationale Unternehmen und Investoren attraktiver zu machen. So sollen im Kapitalmarktrecht Börsenzulassungsanforderungen und Zulassungsfolgepflichten so weit wie möglich vereinfacht werden. Auf nationaler Ebene soll unter anderem das Mindestkapital für einen Börsengang von derzeit 1,25 Mio. Euro auf 1 Mio. Euro verringert werden. Es wird möglich, einen Antrag auf Börsenzulassung auch ohne den bislang vorgeschriebenen Emissionsbegleiter als Mitantragsteller zu stellen.

Mit Einführung der Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG), die sich an Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) in den USA orientiert, soll für Start-Ups und Wachstumsunternehmen der Weg an den Kapitalmarkt über eine Aktiengesellschaft oder SE vereinfacht werden. Infolgedessen müssen diese Unternehmen die komplizierten und kostenintensiven Schritte für einen Börsengang nicht allein bewältigen.

Im Rechtsverkehr mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollen gesetzliche Schriftformerfordernisse nunmehr um die Möglichkeit elektronischen Handelns ergänzt werden. Außerdem soll der Zugang zum deutschen Finanzmarkt für internationale Teilnehmer durch die Möglichkeit englischsprachiger Kommunikation mit der Bundesanstalt vereinfacht werden.

Der Gesetzentwurf sieht zwecks Modernisierung des Kapitalmarkts vor, dass künftig sog. elektronische Aktien nach dem eWpG begeben werden können. Für Namensaktien soll die Möglichkeit in beiden Formen elektronischer Wertpapiere bestehen, d.h. als Zentralregisterwertpapiere und als Kryptowertpapiere. Die Begebung von Inhaberaktien beschränkt der Gesetzentwurf auf Zentralregisterwertpapiere. Eine darüberhinausgehende Ausweitung auf Kryptowertpapiere würde laut Bundesregierung eine Vielzahl gesellschafts- als auch geldwäscherechtlicher Fragestellungen aufwerfen.

Zusätzlich ist beabsichtigt, die Möglichkeiten der Eigenkapitalgewinnung durch die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien (sog. dual class shares) mit einem Stimmrecht von bis zu 10:1 zu den Stammaktien zu verbessern. Die Wiederzulassung von Mehrstimmrechtsaktien soll dabei um konkrete Vorgaben zum Anleger- und Minderheitenschutz ergänzt werden.

Zudem sollen Kapitalerhöhungen unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert und deren Durchführung beschleunigt werden. So soll die Grenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss im Aktienrecht von bisher 10 Prozent des Grundkapitals auf 20 Prozent angehoben werden. Weiter sollen die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung von 50 Prozent und 10 Prozent auf jeweils 60 Prozent beziehungsweise 20 Prozent erhöht werden.

Der Regierungsentwurf ergänzt das Aktiengesetz darüber hinaus um die neu eingeführten §§ 255a und 255b AktG für Kapitalerhöhungen gegen Einlagen. Den Anspruch auf Gewährung zusätzlicher Aktien soll die Gesellschaft insbesondere durch Übertragung eigener Aktien oder durch Ausgabe neuer Aktien im Wege einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage erfüllen können. Die prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung zusätzlicher Aktien und der auf Grundlage der Kompensationstatbestände zu gewährenden Leistungen regelt § 10a SpruchG. Durch diese Neuregelung werden Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages nicht mehr durch Anfechtung, sondern im Spruchverfahren entschieden.

Der Regierungsentwurf sieht schließlich eine Bereichsausnahme für Allgemeine Geschäftsbedingungen von der AGB-Kontrolle nach den §§ 307, 308 Nr. 1a und 1b BGB vor, die in Verträgen über erlaubnispflichtige Geschäfte nach dem KWG, den Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) und dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) zwischen Banken und anderen Finanzdienstleistern, die über Erlaubnisse nach diesen Gesetzen verfügen, verwendet werden. Damit soll ermöglicht werden, dass auch die Verträge nach deutschem Recht rechtsicher entsprechend den international geltenden Standards für solche Verträge gestaltet werden können.

Am 29.09.2023 soll der Bundesrat zum Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes Stellung nehmen, bevor der Entwurf für die weiteren parlamentarischen Beratungen in den Bundestag geht. Bis Ende 2023 soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein.