Der BFH sprach sich 2022 hinsichtlich der schenkungsteuerlichen Optionsverschonung von Betriebsvermögen für eine betriebsbezogene Betrachtung aus. Das betraf neben der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote insbesondere auch die Stellung des Antrags auf Optionsverschonung. Nun reagiert die Finanzverwaltung auf dieses noch zum alten Recht ergangene Urteil und überträgt es auch auf die aktuelle Rechtslage.
Entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung hatte der BFH mit Urteil vom 26.07.2022 (II R 25/20, vgl. EY-Steuernachricht vom 20.10.2022) entschieden, dass bei einer einheitlichen Schenkung von mehreren wirtschaftlichen Einheiten die Verwaltungsvermögensquote sowohl für die Regelverschonung als auch für die Optionsverschonung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu ermitteln ist. Zudem konnte laut BFH der Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG a.F.) für jede wirtschaftliche Einheit gesondert gestellt werden. Sind die Anforderungen an die Optionsverschonung nicht erfüllt, war für den BFH ein Rückfall auf die Regelverschonung (§ 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a. F.) selbst dann ausgeschlossen, wenn deren Voraussetzungen erfüllt gewesen wären (sog. Optionsfalle).
Mit ihren gleich lautenden Erlassen vom 22.12.2023 (BStBl. I Nr. 1 vom 25.01.2024, S. 69) folgt nun die Finanzverwaltung den vom BFH entschiedenen Grundsätzen und erläutert diese anhand von Beispielen. Dabei wendet die Finanzverwaltung die BFH-Grundsätze neben Schenkungen auch auf Erwerbe von Todes wegen an. Zum anderen überträgt sie die BFH-Grundsätze auch auf die seit dem 01.07.2016 geltende Fassung. Nach der neuen Verwaltungsauffassung kann daher der Erwerber den Antrag auf (volle) Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) für jede wirtschaftliche Einheit gesondert stellen. Wurde noch kein einheitlicher Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten gestellt, kann der Erwerber auch in noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen einen Antrag beschränkt auf einzelne wirtschaftliche Einheiten stellen (nachträgliche Antragstellung, Rn. 38 des Erlasses). Daraus ergeben sich u.a. auch Folgen für die Prüfung der Voraussetzungen der Optionsverschonung (Einhalten der Vermögensverwaltungsquote) als auch der Einhaltung der Lohnsummenregelung (keine Verrechnung zwischen den wirtschaftlichen Einheiten mehr möglich) sowie der Behaltensregelung (separate Überwachung für jede wirtschaftliche Einheit).
Keine Auswirkungen haben die BFH-Grundsätze laut den Ländererlassen jedoch auf die Prüfung des Schwellenwertes nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG, die Antragstellung für das Abschmelzmodell nach § 13c Abs. 1 ErbStG und auf die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG (grundsätzlich weiterhin Zusammenrechnung aller wirtschaftlichen Einheiten).
Die sog. Optionsfalle übernimmt die Finanzverwaltung für das aktuelle Recht. Danach kommt bei erfolgter Erklärung zur optionalen Vollverschonung für eine wirtschaftliche Einheit ein Rückfall auf die Regelverschonung nicht in Betracht. Das gilt laut dem Ländererlass selbst dann, wenn nur eine wirtschaftliche Einheit Übertragungsgegenstand ist (vgl. Rn. 11 des Erlasses). Hinsichtlich der geänderten Handhabung gewährt die Finanzverwaltung jedoch eine Vertrauensschutzregelung. Soweit in bestimmten Konstellationen bislang die Regelverschonung anstelle der Optionsverschonung zu gewähren war, ist aus Vertrauensschutzgründen wie bisher zu verfahren, wenn der Antrag auf Optionsverschonung vor dem 25.01.2024 gestellt wurde (vgl. Rn. 36 des Erlasses). Ebenso wird eine Vertrauensschutzregelung für Erwerbe mit Steuerentstehung vor dem 25.01.2024 hinsichtlich der nun nicht mehr möglichen Verrechnung bei der Einhaltung der Mindestlohnsumme gewährt (vgl. Rn. 37 des Erlasses).
Insbesondere in Anbetracht der Gefahr, dass weder Options- noch Regelverschonung gewährt werden (sog. Optionsfalle), sollte der Antrag auf Optionsverschonung nur nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen gestellt werden. Die Stellung des Antrags ist jedoch bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft des Steuerbescheids möglich. In der Praxis sollten daher insbesondere in den Fällen, in denen die Grenzen nur knapp eingehalten werden, die Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide möglichst lange offengehalten werden (Einspruch oder Vorbehalt der Nachprüfung), da insbesondere spätere Betriebsprüfungen ein hohes Risiko einer Verschlechterung bergen. Der Vorläufigkeitsvermerk im Hinblick auf die potenzielle Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer reicht hierfür nach der Rechtsprechung nicht aus (vgl. u.a. FG Münster vom 14.02.2018, 3 K 565/17 Erb). Die verfassungsrechtliche Frage der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen von Betriebsvermögen steht derzeit beim BVerfG zur Prüfung (1 BvR 804/22).