Koalitionsvertrag vorgelegt: Die Steuerpolitik der Ampelkoalition

In dem am 24.11.2021 vorgestellten Koalitionsvertrag legt die angehende Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ein detailliertes steuerpolitisches Programm vor. Wie angekündigt, gibt es keine Vermögensteuer und auch keine Anhebung der Erbschaftsteuer. Neben kleineren Verbesserungen bei der Verlustverrechnung und womöglich auch bei der Thesaurierungsbegünstigung kündigt die Koalition eine Anzeigepflicht auch für rein nationale Steuergestaltungen an. Das Finanzministerium geht erwartungsgemäß an die FDP.

Der 178-seitige Koalitionsvertrag („Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“) enthält zahlreiche Einzelmaßnahmen im Steuerrecht. Darunter u.a.:

  • Verlängerung der erweiterten Verlustverrechnung bis Ende 2023 und Ausweitung des „Verlustvortrags“ (gemeint wohl „Rücktrag“) auf die unmittelbar vorangegangenen zwei Veranlagungszeiträume.
  • Evaluierung der Thesaurierungsbesteuerung und des Optionsmodells im Hinblick auf notwendige praxistaugliche Anpassungen.
  • Überarbeitung der Dienstwagenbesteuerung, u.a. stärkere Ausrichtung der Besserstellung für Plug-In-Hybridfahrzeuge auf die rein elektrische Fahrleistung. Wird das Fahrzeug nicht überwiegend im elektrischen Fahrbetrieb genutzt, soll die Privilegierung wegfallen und die 1 Prozent-Regelung zur Anwendung kommen.
  • Erweiterung der Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auf die Meldung nationaler Steuergestaltungen für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro.
  • Ergänzung der Zinsschranke durch eine nicht näher bezeichnete „Zinshöhenschranke“.
  • Einführung eines bundesweit einheitlichen elektronischen Meldesystems für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug (sog. e-Invoicing).
  • Ausweitung der Quellenbesteuerung insbesondere durch Anpassung von Doppelbesteuerungsabkommen
  • Umlage der im Rahmen des EU-Eigenmittelbeschlusses eingeführten Plastikabgabe auf die Hersteller und Inverkehrbringer. Damit dürfte die Ampel eine „Plastiksteuer“ einführen.
  • Ermöglichung einer politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen im Hinblick auf den Erhalt eines steuerbegünstigten Zwecks.
  • Verlängerung der Home-Office Pauschale bis zum 31.12.2022.
  • Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Renten, insb. durch Vorziehen des Vollabzugs von Rentenversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben bereits ab 2023 und Steigerung des steuerpflichtigen Rentenanteils ab 2023 um einen halben Prozentpunkt.
  • Steuerrechtliche Erleichterungen für Lebensmittelspenden und Abbau steuerlicher Hürden für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen, die wahrscheinlich auf die umsatzsteuerliche Wertabgabenbesteuerung abzielen.
  • Anhebung der linearen Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent.

Daneben enthält der Koalitionsvertrag im Hinblick auf die Steuerpolitik viele Punkte, die bereits Inhalt des Sondierungspapiers waren, u.a.:

  • Schaffung einer Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter, die den Steuerpflichtigen in den Jahren 2022 und 2023 eine sog. „Superabschreibung“ ermöglichen soll. Deren genaue Ausgestaltung bleibt aber weiter im Unklaren.
  • Die Länder sollen die Grunderwerbsteuer flexibler gestalten können, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern. Dies könnte auf persönliche Freibeträge hinauslaufen. Die Gegenfinanzierung ist beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals) vorgesehen. Eine erneute Gesetzesanpassung der Grunderwerbsteuer ist demnach wahrscheinlich.
  • Intensivierung des Kampfes gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Steuervermeidung, aktiver Einsatz für die Einführung der globalen Mindestbesteuerung.
  • Die Digitalisierung und Entbürokratisierung der Steuerverwaltung soll vorangetrieben werden, u.a. durch die Modernisierung und Beschleunigung der Betriebsprüfung, die vorausgefüllte Steuererklärung (Easy Tax), die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens durch sinnvollen Einsatz neuer Technologien und Verbesserung von Schnittstellen und einer Überprüfung der digitalen Umsetzbarkeit steuerlicher Regelungen. Hierfür soll auf Bundesebene eine zentrale Organisationseinheit geschaffen werden.
  • Die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis soll beendet werden und zum 01.01.2023 in den Haushalt übernommen werden. Die Finanzierung soll stattdessen über die Einnahmen aus den Emissionshandelssystemen und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gespeist werden.
  • Anhebung des Sparerpauschbetrags auf 1.000 Euro bzw. 2.000 Euro bei Zusammenveranlagung.
  • Attraktivere Mitarbeiterkapitalbeteiligung, u.a. durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage für Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. Dabei sollen aber Steuersparkonstruktionen vermieden werden.
  • Mit einer neuen Wohngemeinnützigkeit inkl. Steuerlicher Förderung und Investitionszulagen will die Ampel den Bau bezahlbaren Wohnraums unterstützen.

Wie bereits im Sondierungspapier vom 15.10.2021 bekennt sich die Ampelkoalition zur grundgesetzlichen Schuldenbremse. Ab 2023 soll der Bundeshaushalt wieder deren Vorgaben entsprechen und Schuldenaufnahme nur in engen Grenzen möglich sein. Finanzielle Spielräume sollen insb. durch eine angekündigte Überprüfung des Haushalts auf überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen geschaffen werden. U.a. soll die steuerliche Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuer überprüft werden und Steuerbegünstigungen, die sich auf die wirtschaftliche Nutzung von Strom beziehen, sollen abgebaut werden.

Neuer Finanzminister und damit federführend auch für die Steuerpolitik soll Christian Lindner werden. Das traditionell ebenfalls eng in die Steuerpolitik eingebundene Wirtschaftsministerium wird künftig von Robert Habeck geführt und um eine Zuständigkeit für Klimaangelegenheiten erweitert.

Mit dem Vertrag stellt die Ampelkoalition klar, dass es keine Senkung der Körperschaftsteuer, des Solidaritätszuschlags oder des Einkommensteuertarifs geben wird.

Nach der Einigung der Parteispitzen haben nun die Gremien das Wort. Bei SPD und FDP sollen Parteitage am 04. bzw. 05.12.2021 den Vertrag absegnen. Die Grünen führen bis dahin eine Mitgliederbefragung durch. Stimmen alle Parteien zu – wovon derzeit auszugehen ist – steht die Koalition und der Weg ist frei für die Wahl des neuen Kanzlers und seiner Minister in der Woche ab dem 06.12.2021. Mit dem Umsetzungsbeginn der steuerpolitischen Programms dürfte jedoch erst ab dem kommenden Jahr zu rechnen sein.

 

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