Das am Sonntag (04.09.2022) vorgestellte Entlastungspaket der Koalition enthält eine Reihe steuerlicher Ankündigungen, darunter u.a. den Beginn der nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in Deutschland, die Verlängerung des Spitzenausgleichs in der Energie- und Stromsteuer um ein Jahr und die verlängerte Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in der Gastronomie. Statt einer Übergewinnsteuer soll eine Erlösobergrenze Übergewinne im Strommarkt abschöpfen und an Stromkunden verteilen.
Aufbauend auf der Kabinettsklausur in Meseberg hat der Koalitionsausschuss am 04.09.2022 ein 13-seitiges Papier für ein Entlastungspaket III vorgelegt. Aus steuerlicher Sicht sticht die Ankündigung hervor, dass Deutschland mit der Umsetzung der international im Rahmen des OECD Framework on BEPS vereinbarten globalen Mindestbesteuerung („Pillar 2“) beginnen will. Damit würde Deutschland womöglich der noch im EU-Gesetzgebungsverfahren befindlichen Richtlinie zuvorkommen. Derzeit wird erwartet, dass die tschechische Ratspräsidentschaft beim ECOFIN am 04.10.2022 versuchen wird, die noch ausstehende Zustimmung Ungarns zu erreichen. Grundsätzlich könnte Deutschland sein nationales Steuerrecht auch ohne beschlossene EU-Richtlinie an die (völkerrechtlich nicht verbindliche) OECD-Einigung anpassen. Eine Reaktion der EU-Kommission oder des Rats der EU ist noch nicht bekannt.
Als Ergebnis der seit Wochen intensiv geführten Diskussion um eine Übergewinnsteuer will die Koalition keine Steuer einführen, sondern über eine sog. Erlösobergrenze im Strommarktdesign Übergewinne abschöpfen und umverteilen. Die Abwicklung könnte dabei über die bisherigen Zahlungswege der EEG-Umlage erfolgen. Die Koalition strebt eine Einigung auf EU-Ebene an, will aber notfalls auch in diesem Punkt in Bezug auf den Strommarkt national aktiv werden. Außerdem will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die EU-Kommission entsprechende Maßnahmen auch für Unternehmen außerhalb des Strommarkts entwickelt.
Mit den Einnahmen aus der Abschöpfung sollen private Verbraucher und kleine und mittlere Unternehmen beim Strompreis entlastet werden (Strompreisbremse). Außerdem sollen die Stromnetzentgelte bezuschusst werden.
Weitere, von der Koalition angekündigte Maßnahmen sind u.a.:
- Abbau der kalten Progression im Einkommensteuertarif und Erhöhung des Kindergelds zum 01.01.2023. Am 07.09.2022 hat das BMF den Referentenentwurf eines zuvor bereits in einem Eckpunktepapier (vgl. Steuernachrichten vom 10.08.2022) skizzierten Inflationsausgleichgesetzes vorgelegt. Dieser enthält insb. eine Erhöhung des Grundfreibetrags und eine Verschiebung der Tarifeckwerte in Höhe der derzeit prognostizierten Inflation. Ausgenommen von der Anpassung ist dabei die letzte Progressionszone für besonders hohe Einkommen ab 277.826 Euro zu versteuerndem Einkommen, bei denen der Höchststeuersatz von 45 Prozent (sog. Reichensteuersatz) greift. Darüber hinaus wird der Kinderfreibetrag schrittweise bis auf 2.994 Euro ab 2024 und das Kindergeld zum 01.01.2023 für das erste, zweite und dritte Kind auf jeweils 237 Euro (im Eckpunktepapier noch 233 Euro) angehoben; ab dem vierten Kind soll es bei jeweils 250 Euro bleiben.
- Verschiebung der zum 01.01.2023 anstehenden Erhöhung der CO2-Abgabe sowie der Folgeschritte jeweils um ein Jahr.
- Verlängerung des Spitzenausgleichs um ein Jahr: Sog. energieintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes können eine weitgehende Entlastung von der gezahlten Strom- und Energiesteuer durch den Spitzenausgleich nach § 10 StromStG und § 55 EnergieStG beantragen. Es handelt sich um die zweite Stufe der Regelentlastung für die energieintensive Branchen, welche erhebliche praktische Relevanz hat und von den meisten produzierenden Unternehmen in Anspruch genommen wird. Der Spitzenausgleich kann nur bis zum Auslaufen der hierfür erforderlichen (beihilferechtlichen) Freistellungsanzeige bei der Europäischen Kommission gewährt werden. Nach aktuellem Recht wäre dies nur noch bis Ende des Jahres 2022 möglich. Um die energieintensiven Unternehmen zu unterstützen, soll die Gewährung des Spitzenausgleichs um ein weiteres Jahr verlängert werden. Hierzu wäre die Freistellungsanzeige bei der Europäischen Kommission zu erneuern. Laut einem am 08.09.2022 vorgelegten Referentenentwurf soll die Gewährung des Spitzenausgleichs einmalig nicht davon abhängig gemacht werden, dass ein Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität erreicht wurde.
- Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen in dem Zeitraum, in dem die Gas-Umlage erhoben werden soll. Zur Umsetzung des Beschlusses hat das BMF am 05.09.2022 bereits einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Umsatzsteuer auf die Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz vom 01.10.2022 bis 31.03.2024 auf 7 Prozent absenkt.
- Verlängerung der Anwendung des bisher Ende 2022 auslaufenden ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie.
- Zusätzliche Zahlungen von Unternehmen an die Beschäftigten sollen bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei ermöglicht werden.
- Einrichtung einer Expertenkommission zu einem Preisdämpfungsmodell im Wärmemarkt.
- Unternehmenshilfen: Die Koalition kündigt ein Programm für energieintensive Unternehmen an, die die Steigerung ihrer Energiekosten nicht weitergeben können. Daneben sollen bestehende Programme erweitert bzw. verlängert werden, wie insbesondere das KfW-Sonderprogramm UBR, Bund-Länder-Bürgschaftsprogramme, das Energiekostendämpfungsprogramm sowie das Margining-Finanzierungsprogramm.
- Verlängerung der Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld über den 30.09.2022 hinaus.
- Im Kern gesunden Unternehmen soll durch Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht die Möglichkeit gegeben werden, ihre Geschäftsmodelle an die hohen Energiepreise anzupassen.
- Entfristung und Verbesserung der zum 31.12.2022 auslaufenden Homeoffice-Pauschale.
- Energiepreispauschale auch für Rentner (300 Euro) und Studenten (200 Euro).
Details zur Umsetzung der einzelnen Maßnahmen liegen mit Ausnahme der Umsatzsteuersenkung auf Gas und dem Inflationsausgleichsgesetz noch nicht vor. Ob die Koalition für alle Einzelpunkte, bei denen die Länder zustimmen müssen, eine Mehrheit im Bundesrat erreichen kann, ist noch nicht absehbar.
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