Die Finanzverwaltung hat den mit Spannung erwarteten Entwurf einer Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise hinsichtlich der mit dem Wachstumschancengesetz eingeführten Neuregelung zu konzerninternen Finanzierungsbeziehungen bzw. Finanzierungsdienstleistungen gem. § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG veröffentlicht. Der Entwurf sieht eine Frist zur Stellungnahme durch die Verbände bis zum 06.09.2024 vor.
Bereits im Jahr 2021 wurde die Einführung einer eigenständigen Regelung für die Bestimmung von Verrechnungspreisen bei Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3d AStG) sowie bei Finanzierungsdienstleistungen (§ 1 Abs. 3e AStG) sowohl im Gesetzgebungsverfahren des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (BGBl. I 2021, S. 1259) als auch des ATAD-Umsetzungsgesetzes (BGBl. I 2021, S. 2035) forciert, deren gesetzliche Implementierung damals jedoch scheiterte. Diesen Gedanken brachte der Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Wachstumschancengesetz vom 20.10.2023 erneut als Ersatz für die im Regierungsentwurf vorgesehene Einführung einer Zinshöhenschranke im EStG in die Diskussion ein. Mit Erfolg. Mit dem Wachstumschancengesetz hat der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung für die Bestimmung von Verrechnungspreisen bei konzerninternen grenzüberschreitenden Finanztransaktionen (§§ 1 Abs. 3d und 3e AStG) im Gesetz verankert.
Gemäß § 1 Abs. 3d AStG wird der Betriebsausgabenabzug u.a. für Zinsaufwendungen bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehen) innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe außerbilanziell korrigiert,
- wenn gemäß § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 AStG der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass er den aus der Finanzierungsbeziehung resultierenden Kapitaldienst von Anfang an hätte erbringen können („Schuldtragfähigkeits“-Test) und die empfangene Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet wird („Geschäftszweck“-Test), oder
- soweit der vom Steuerpflichtigen zu entrichtende Zinssatz den Refinanzierungszinssatz übersteigt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte. Wird im Einzelfall nachgewiesen, dass ein aus dem Unternehmensgruppenrating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, ist dieses bei der Bemessung des Zinssatzes zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 2 AStG).
§ 1 Abs. 3e AStG sieht dagegen eine spezielle Regelung für den Umgang mit Finanzierungsdienstleistungen vor. Danach stellen Finanzierungsbeziehungen, die innerhalb der Unternehmensgruppe vermittelt oder weitergeleitet werden, regelmäßig funktions- und risikoarme Dienstleistungen dar (geringe Wertschöpfungstätigkeit).
Hinsichtlich der Auslegung der neuen Vorschriften blieben zahlreiche Anwendungsfragen unbeantwortet. Daher war die Praxis gespannt auf die Positionierung der Finanzverwaltung. Diese hat nun am 14.08.2024 einen Entwurf für eine Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (BMF-Schreiben vom 06.06.2023) im Hinblick auf die Anwendung der Regelung des § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG (Kapitel III J. Finanzierungsbeziehungen) veröffentlicht.
Im Allgemeinen betont die Finanzverwaltung eingangs, dass die Vorschriften der § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG in Übereinstimmung mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Kapitel X) anzuwenden sind. Auch weist die Verwaltung im Entwurf darauf hin, dass für eine sachgerechte Abgrenzung der Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit Finanzierungsaktivitäten eine Funktions- und Risikoanalyse erforderlich ist.
Im Rahmen der Prüfung der Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach gemäß § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 AStG äußert sich das BMF u.a. zum Schuldtragfähigkeitstest, zum Geschäftszwecktest und konkretisiert die im Gesetz geforderte Glaubhaftmachung.
Laut dem BMF-Entwurf soll die Kapitalüberlassung beispielsweise nicht schon allein deswegen fremdunüblich sein, weil eine Anschlussfinanzierung notwendig ist. Vielmehr ist eine Beurteilung im Rahmen einer Gesamtschau der Verhältnisse vorzunehmen.
Die Finanzverwaltung stellt in dem Entwurf in Bezug auf den Geschäftszwecktest erfreulicherweise klar, dass eine reine Darlehensaufnahme für Zwecke einer Gewinnausschüttung grundsätzlich nicht dem Unternehmenszweck widerspricht. Auch soll bei Finanzierung einer Akquisition die Planung eines Kapitalpuffers und beispielsweise einer kurzfristigen Einlage in den unternehmensgruppeninternen Cash Pool grundsätzlich fremdüblich sein.
Für die Glaubhaftmachung sollen laut dem Entwurf die konkreten Umstände substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden. In diesem Zuge fordert die Finanzverwaltung vom Steuerpflichtigen aufzuzeigen
- ob und wie der Kapitaldienst erbracht werden kann (z.B. anhand einer Prognoserechnung, die auch eine Anschlussfinanzierung einschließen kann),
- dass der Kapitaldienst wie vereinbart erbracht wird und
- welcher Zweck mit dem überlassenen Kapital verfolgt und wie das Kapital verwendet wird.
Kann die Glaubhaftmachung des § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 AStG nicht erfolgreich geführt werden, gilt die Finanzierungsbeziehung grundsätzlich als fremdunüblich. Eine Korrektur der Einkünfte erfolgt laut Entwurf dann jedoch nur in Höhe des fremdunüblichen Teils. Diese Klarstellung im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Kapitel X) ist erfreulich, da in der Praxis dahingehend eine hohe Unsicherheit bestand.
Auch äußert sich der Entwurf ausführlich zur Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes. (§ 1 Abs. 3d Nr. 2 AStG). Grundsätzlich ist die Bonität der Unternehmensgruppe maßgebend, es sei denn die Bonität des betreffenden Darlehensnehmers ist besser. Sollte die Unternehmensgruppe jedoch über kein Rating verfügen, kann auf ein bestehendes Rating der obersten Gruppengesellschaft abgestellt werden. Liegt ein solches nicht vor, kann aus Vereinfachungsgründen die Bestimmung eines Ratings anhand der Finanzierungskosten der Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten akzeptiert werden.
Der Entwurf stellt klar, dass für die Bestimmung des Zinssatzes auch ein vom Unternehmensgruppenrating abweichendes Rating verwendet werden kann. Allerdings nur, wenn vom Steuerpflichtigen nachgewiesen wird, dass ein vom Unternehmensgruppenrating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht und die Bonitätseinschätzung, inklusive der fremdüblichen quantitativen und qualitativen Faktoren, sowie die Effekte aus dem Bestehen der Unternehmensgruppe (Konzernrückhalt) dargelegt werden. In diesem Zusammenhang sind dem Entwurf u.a. ausführliche Erläuterungen zur Analyse des Konzernrückhalts einschließlich der Ermittlung der strategischen Bedeutung des Darlehensnehmers für die Unternehmensgruppe zu entnehmen.
Der Entwurf sieht darüber hinaus einen teilweisen Bestandsschutz für existierende Finanzierungsbeziehungen vor. So soll § 1 Abs. 3d AStG nicht für Aufwendungen anzuwenden sein, die auf Finanzierungsbeziehungen beruhen, die vor dem 01.01.2024 zivilrechtlich vereinbart wurden und deren tatsächliche Durchführung vor dem 01.01.2024 begonnen hat. Allerdings gilt dies nicht, wenn das Dauerschuldverhältnis nach dem 31.12.2023 wesentlich geändert oder über den 31.12.2024 hinaus fortgeführt wird.
Im Rahmen des § 1 Abs. 3e AStG stellt der Entwurf die Interpretation der im Schrifttum viel diskutierten Norm klar. Das BMF hält hierbei prinzipiell an seiner bisherigen Auslegung in Tz. 3.125 Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 fest. Laut Entwurf und im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung (BFH, 18. Mai 2021, I R 4/17) richtet sich die Bestimmung eines Fremdvergleichspreises für die Fremdkapitalüberlassung zwischen nahestehenden Personen grundsätzlich nach der Preisvergleichsmethode. Funktions- und risikoarmen Finanzierungsgesellschaften steht hingegen nur eine risikolose Rendite zu. Fallen Darlehensvergabe und die tatsächliche Kontrolle der damit verbundenen Funktionen oder Risiken auseinander, kann in Übereinstimmung mit OECD-Grundsätzen eine weitere Transaktion zwischen der Finanzierungsgesellschaft und der Gesellschaft, die die tatsächliche Kontrolle der mit der Ausreichung des Darlehens verbundenen Funktionen oder Risiken ausübt, vorliegen. Ist letztere Gesellschaft eine inländische Gesellschaft, ist dem Entwurf folgend zu prüfen, welche Vergütung dieser zuzuordnen ist. Obwohl nicht explizit im Entwurf klargestellt, kann demzufolge ein deutscher Darlehensnehmer den fremdüblichen Zinssatz aus einer erhaltenen Finanzierung von einer funktions- und risikoarmen Finanzierungsgesellschaft uneingeschränkt als Betriebsausgabenabzug geltend machen. § 1 Abs. 3e AStG sieht demnach für diese Transaktion in Übereinstimmung mit dem BFH und den OECD-Grundsätzen keine Korrektur beim Darlehensnehmer vor.
Ein Bestandsschutz für existierende Finanzierungsbeziehungen ist für die Anwendung des § 1 Abs. 3e AStG im Entwurf nicht vorgesehen.
Die Verbände haben Zeit bis zum 06.09.2024 zum Entwurf Stellung zu nehmen.
Betroffene Unternehmen sollten vor dem Hintergrund der gesetzlichen Neuregelungen zu konzerninternen Finanztransaktionen nebst der nun im Entwurf aufgezeigten Verwaltungsauffassung die bestehenden und zukünftigen konzerninternen Finanztransaktionen und etwaige Anpassungen und Implikationen - auch schon für das laufende Jahr - überprüfen.
Der Volltext des Schreibens steht Ihnen auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.
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