BFH zur Wegzugsbesteuerung bei Wegzug in die Schweiz

Nach dem Folgeurteil des FG Baden-Württemberg äußert sich nun auch der BFH zum sogenannten Wächtler-Urteil des EuGH, das sich mit der Wegzugsbesteuerung bei Wegzügen in die Schweiz in Altfällen befasst. Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz wurde die Wegzugsbesteuerung für alle Wegzugsfälle verschärft. 

Verzieht eine natürliche Person ins Ausland, wird hierdurch regelmäßig auch die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland beendet. Hält die Person Anteile an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 EStG, gelten diese infolge des Wegzugs als veräußert und lösen damit eine Veräußerungsgewinnbesteuerung aus (sog. „Wegzugsbesteuerung" nach § 6 AStG). Für Wegzüge in das EU/EWR Ausland sah § 6 Abs. 5 AStG a.F. eine zinslose, unbefristete Stundung vor. Bei Wegzug in einen Drittstaat bestand (nur) in Fällen unbilliger Härte die Möglichkeit einer Stundung, wobei jedoch u.a. eine ratierliche Auflösung über einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren zu erfolgen hatte (§ 6 Abs. 4 AStG a.F.).

Für den Fall eines Wegzugs in die Schweiz (Streitjahr 2011) urteilte der EuGH am 26.02.2019 (C-581/17, Wächtler), dass die deutsche Wegzugsbesteuerung nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz zu vereinbaren ist. Denn es liege eine Ungleichbehandlung von Personen, die ihren deutschen Wohnsitz beibehalten und solchen, die diesen auflösen, vor. Mit dem Schreiben vom 13.11.2019 reagierte das BMF auf das EuGH-Urteil. Analog zu § 6 Abs. 5 AStG a.F. sah das Schreiben für Wegzugsfälle in die Schweiz eine verzinsliche Stundungsmöglichkeit über fünf Jahre ohne Nachweis erheblicher Härte vor. Mit dem Folgeurteil vom 31.08.2020 (2 K 835/19) entschied das vorlegende FG Baden-Württemberg, dass die Sofortversteuerung bei Wegzug in die Schweiz gegen das Unionsrecht verstößt. Erforderlich sei eine automatische, dauerhafte und zinslose Stundung. Insoweit werde auch das BMF-Schreiben vom 13.11.2019 den EuGH-Vorgaben nicht gerecht, da die Stundung weder unbefristet noch zinslos erfolge. Zudem sah das FG bereits die Steuerfestsetzung als rechtswidrig an. 

Dem widersprach nun der BFH teilweise (Urteil vom 06.09.2023, I R 35/20). Zwar sei im konkreten Fall des Wegzugs in die Schweiz die Wegzugsteuer dauerhaft und zinslos zu stunden. Auch dürfe die Stundung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Jedoch widerspricht der BFH der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung. Laut BFH ist die Festsetzung der Wegzugsteuer nach § 6 Abs. 1 AStG im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz zulässig. Den Vorgaben des EuGH sei vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass die zinslose und dauerhafte Stundung von Amts wegen zu gewähren sei. Darüber sei jedoch im Erhebungsverfahren und nicht im Festsetzungsverfahren zu entscheiden. Dabei sei eine Stundung nicht ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige die Wegzugsteuer bereits bezahlt hat. 

Die Urteilsgrundsätze betreffen die Fassung des Gesetzes vor dem ATAD-Umsetzungsgesetz. Für noch offene oder anhängige Wegzugsfälle in die Schweiz auf Basis der alten Rechtslage sollte im Einzelfall geprüft werden, ob in diesen Fällen nicht auch eine zinslose und dauerhafte Stundung möglich ist. Durch Art. 5 ATAD-Umsetzungsgesetz wurde § 6 AStG erheblich verschärft, und zwar unabhängig vom Wegzugsort („One-Fits-All-Lösung“). Unter anderem ist damit die zinslose und unbefristete Stundung bei Wegzug innerhalb des EU-/EWR-Raums weggefallen.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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