BFH zu Grenzgängereigenschaft im Verhältnis zur Schweiz

In zwei Urteilen bejaht der BFH den Status des Grenzgängers im Kontext Deutschland/Schweiz auch bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen sowie bei großer Entfernung zwischen dem Arbeits- und Wohnort. Insbesondere komme es laut BFH nicht auf die Anzahl der Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat an, denn die Grenzgängerregelung im DBA-Schweiz setze keine Mindestanzahl solcher Überquerungen voraus.

Im abkommensrechtlichen Sonderfall des Grenzgängers (Art. 15a DBA-Schweiz) steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu. Die Grenzgängereigenschaft erfordert grundsätzlich die regelmäßige Rückkehr vom Arbeits- an den Wohnsitzort. Sie entfällt regelmäßig dann, wenn die Person bei einer ganzjährigen Beschäftigung an mehr als 60 Kalendertagen aufgrund der Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz in Deutschland zurückkehrt (sog. Nichtrückkehrtage, Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz). Hierzu hatte der BFH zwei Fälle zu entscheiden. In beiden Fällen vertraten die Steuerpflichtigen die Auffassung, sie seien keine Grenzgänger, mit der Folge, dass der Ansässigkeitsstaat (Deutschland) die Einkünfte (unter Progressionsvorbehalt) freistellen müsse.

Im ersten Fall war der Steuerpflichtige in Deutschland ansässig und im Umfang von drei Arbeitstagen pro Monat als Prokurist bei einer Schweizerischen AG angestellt. Der BFH entschied, dass die Voraussetzungen der Grenzgängerregelung nach Art. 15a DBA-Schweiz erfüllt sind und die Einkünfte des Steuerpflichtigen der deutschen Besteuerung unterliegen (Urteil vom 28.06.2022, I R 24/21).

Zwar ist die Grenze von Nichtrückkehrtagen aufgrund der Teilzeitbeschäftigung proportional zu kürzen (Nr. II.4. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18.12.1991). Da der Steuerpflichtige jedoch nur zwei Nichtrückkehrtage nachgewiesen hatte, war selbst die gekürzte Grenze im konkreten Fall nicht überschritten. Unerheblich war laut BFH dagegen, wie oft der Steuerpflichtige seinen Arbeitsort in der Schweiz aufsuchte. Denn der Begriff „regelmäßig“ in Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz setze keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus. Dies begründete der BFH mit dem Wortlaut und Zweck der abkommensrechtlichen Grenzgängerregelung. Dagegen sei die anders lautende Regelung des § 7 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen Deutschland und der Schweiz vom 20.12.2010 mit dem Wortlaut des DBA nicht vereinbar und aufgrund des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) zur Ergänzung bzw. Auslegung des DBA nicht heranzuziehen.

Der Volltext des Urteils I R 24/21 steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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Im zweiten Fall übte der in Deutschland ansässige Steuerpflichtige eine Arzttätigkeit in der Schweiz aus. Er war u.a. der Ansicht, dass er kein Grenzgänger sei, da eine tägliche Heimfahrt aufgrund der Entfernung von mehr als 200 km vom Tätigkeitsort zum Wohnort nicht zumutbar gewesen sei.

Diese Sichtweise lehnte der BFH ab (Urteil vom 01.06.2022, I R 32/19). Laut BFH ist der abkommensrechtliche Begriff des Grenzgängers unabhängig von örtlichen Voraussetzungen oder Grenzzonen zu verstehen. Im konkreten Fall erfüllte der Steuerpflichtige daher die Voraussetzungen eines Grenzgängers, da er regelmäßig an seinen Wohnort zurückgekehrt war. Ob eine Rückkehr an den Wohnort aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort zumutbar ist, ist laut BFH vielmehr für die Frage der zum Wegfall der Grenzgängereigenschaft führenden Nichtrückkehrtage relevant. Für den konkreten Fall (Krankenhauspersonal) entschied der BFH dabei, dass ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz anzunehmen ist, wenn sich regulärer Dienst und Rufbereitschaft lückenlos jeweils abwechseln. Dieser sei als Einheit zu behandeln. Ob ein Nichtrückkehrtag vorliege, richte sich allein nach der Rückkehr oder Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Einsatzes. Im konkreten Fall lag daher kein einziger Nichtrückkehrtag vor. Vielmehr waren (mehrere) mehrtägige Arbeitseinsätze in der Schweiz wegen durchgängiger 24-Stunden-Bereitschaftsdienste gegeben, an deren Ende der Steuerpflichtige jeweils an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt ist.

Der Volltext des Urteils I R 32/19 steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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