Bestimmung des herrschenden Unternehmens

Unter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel aus dem Jahr 2020 äußert sich nun der BFH zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens bei mehrstufigen Beteiligungen. Er widerspricht der einschränkenden Auffassung der Finanzverwaltung, wonach der oberste Rechtsträger maßgebend ist.

Nach der sogenannten Konzernklausel des § 6a GrEStG ist u.a. ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a bis 3 GrEStG steuerbarer Rechtsvorgang aufgrund einer Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung und Vermögensübertragung steuerbefreit. Die Steuerbefreiung setzt dem Wortlaut nach insbesondere voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Eine Abhängigkeit liegt dann vor, wenn das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 Prozent ununterbrochen beteiligt ist (sog. Vor- und Nachbehaltensfristen).

Im Jahr 2020 hat der BFH zu einigen Auslegungsfragen bei der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel Stellung genommen und u.a. entschieden, dass die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch rechtlich eingehalten werden können (u.a. BFH-Urteil v. 22.08.2019, II R 18/19). In Reaktion auf die Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung die Urteile im Bundessteuerblatt veröffentlicht und in ihren Anwendungserlass eingearbeitet (Gleich lautende Ländererlasse v. 22.09.2020).

Mit Urteil vom 28.09.2022 (II R 13/20) bestätigt nun der BFH seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2020 und entwickelt diese dahingehend fort, als dass sich die Bestimmung des „herrschenden Unternehmens“ und der „abhängigen Gesellschaft“ nach dem jeweiligen nach § 6a GrEStG begünstigten Umwandlungsvorgang richtet. Im Falle von mehrstufigen Beteiligungen ist damit unerheblich, dass das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Auch ist unerheblich, ob bei abhängigen Gesellschaften weitere Gesellschaften vom herrschenden Unternehmen abhängen, wenn diese Unternehmen oder Gesellschaften selbst nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind. Insofern teilt der BFH nicht die einschränkende Auffassung der Finanzverwaltung, wonach das herrschende Unternehmen der oberste Rechtsträger ist, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt (Gleich lautende Ländererlasse vom 22.09.2020, Tz. 3.1).

Im konkreten Fall wurde die grundbesitzende Gesellschaft (Urenkelgesellschaft) auf ihre Alleingesellschafterin (Enkelgesellschaft) unter Einhaltung der 5-jährigen Vorbehaltensfrist verschmolzen. Innerhalb der 5-jährigen Nachbehaltensfrist veräußerte die Muttergesellschaft 26,8 Prozent der Beteiligung an der Tochtergesellschaft. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG zu versagen sei, da die Muttergesellschaft als herrschendes Unternehmen durch die Veräußerung innerhalb der 5-jährigen Nachbehaltensfrist nicht mehr mittelbar zu 95 Prozent an der Enkelgesellschaft beteiligt sei. Insofern sei die Enkelgesellschaft keine abhängige Gesellschaft mehr i.S.d. § 6a GrEStG. Der BFH widersprach.

Als herrschendes Unternehmen ist laut BFH zunächst ‑ soweit vorhanden ‑ das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen gemeint. Ob die am Umwandlungsvorgang beteiligten Unternehmen und Gesellschaften sodann auch Teile eines weiteren Konzernverbunds sind, ist für die Steuerbegünstigung laut BFH unerheblich. Das bedeutet allgemein für eine Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft in einem beispielhaften dreistufigen Konzern mit Mutter‑, Tochter- und Enkelgesellschaft, dass das Verhältnis der an dem Verschmelzungsvorgang beteiligten Gesellschaften – Tochter- und Enkelgesellschaft - gesondert zu betrachten ist. In einem solchen Fall ist die Tochtergesellschaft das herrschende Unternehmen und die Enkelgesellschaft die abhängige Gesellschaft. Beide sind am steuerbaren Rechtsvorgang i.S.d. § 6a Satz 3 GrEStG beteiligt. Unerheblich ist, dass die Muttergesellschaft zugleich unmittelbar die Tochter- und mittelbar die Enkelgesellschaft beherrscht, denn sie ist an dem Rechtsvorgang i.S.d. § 6a Satz 3 nicht beteiligt.

Erlischt nun in Folge der Verschmelzung das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft, kann die Nachbehaltensfrist umwandlungsbedingt - also aus rechtlichen Gründen - nicht eingehalten werden. Dies ist insofern unschädlich für die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG (ständige Rechtsprechung). Auch ist die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft für die Beachtung der Nachbehaltensfrist unerheblich (insoweit Fortentwicklung der Rechtsprechung).

Daher war für den BFH im konkreten Fall die Veräußerung von 26,8 Prozent der Beteiligung an der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft innerhalb der Nachbehaltensfrist für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG unschädlich. Vielmehr ist nach Auffassung des BFH die unmittelbar an der Grundstücksgesellschaft beteiligte Enkelgesellschaft herrschendes Unternehmen. Die Verschmelzung der grundbesitzenden Urenkelgesellschaft direkt auf die Enkelgesellschaft als herrschendes Unternehmen hindert die Anwendung des § 6a GrEStG im vorliegenden Fall nicht.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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