Zur Unzulässigkeit eines Nachprüfungsantrag bei Angaben „ins Blaue hinein“ und zur Ausnahme vom Nachverhandlungsverbot l

Das OLG OLG Rostock hat sich mit Beschluss vom 30.09.2021 (Az.: 17 Verg 3/21) zur Antragsbefugnis auf Nachprüfung und zum Nachverhandlungsverbot im Verhandlungsverfahren geäußert.

Sachverhalt

Ein Landkreis schrieb Abfalllogistikleistungen verbunden mit einer Beteiligung des privaten Partners an einem gemeinsamen Unternehmen in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Der obsiegende Bieter erhielt den Zuschlag nach Durchführung einer Endverhandlungsrunde, die lediglich mit ihm durchgeführt wurde. Dies war in den Vergabeunterlagen entsprechend angelegt. Der unterlegene Bieter trug u.a. vor, durch bestimmte unzulässig und ohne Unterrichtung aller Bieter vorgenommenen Änderungen an den Vergabeunterlagen seien unterschiedliche Leistungsanforderungen zugrunde gelegt worden, jedenfalls sei eine Vergleichbarkeit der Angebote nicht gegeben. Weiter führte er unter Berufung auf Marktkenntnisse aus, es seien weitere Vergaberechtsverstöße erkennbar geworden, nämlich der unzulässige Verzicht auf Mindestanforderungen. Die Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern hat dem Nachprüfungsantrag stattgegeben. Dagegen wenden sich sowohl die Vergabestelle als auch der obsiegende Bieter. 

Entscheidung  

Das OLG stellt klar, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nur dann abgesprochen werden könne, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers offensichtlich nicht gegeben ist. Eine schlüssige Behauptung der Rechtsverletzung sei erforderlich, aber regelmäßig auch ausreichend. Erforderlich hierfür sei jedoch das Vorliegen objektiver Anhaltspunkte, die auf eine Rechtsverletzung hindeuten. Eine willkürliche, „ins Blaue hinein“ aufgestellte Behauptung, reiche nicht aus. Dies vorausgeschickt, setzt sich der Senat mit den verschiedenen Beanstandungen des unterlegenen Bieters im Detail auseinander und kommt zu dem Schluss, diese Beanstandungen seien Behauptungen ins Blaue hinein ohne jede Substanz.   
Auch stellt das OLG Rostock klar, dass von dem Grundsatz des Nachverhandlungsverbotes nach der Abgabe der letztverbindlichen Angebote dann abgewichen werden könne, wenn nach der Wertung der letzten Angebote sowohl ein Scheitern der Verhandlungsrunde als auch eine Änderung der Wertungsreihenfolge ausgeschlossen sei. Das OLG stellt heraus, dass die durchgeführten Verhandlungen zwar durchaus noch Fragen beträfen, die Auswirkungen auf die Risikostruktur des Vertragsverhältnisses haben können. Es handele sich aber ausschließlich um Anforderungen des Landkreises, die eine Veränderung einzelner Bedingungen zu dessen Gunsten bewirken sollten. Zudem hätte das Verhandlungsergebnis der Nachverhandlungsrunde die Wertungsreihenfolge keinesfalls zugunsten des unterlegenen Bieters ändern können.  

Praxishinweis 

Der Beschluss des OLG Rostock ist in Bezug auf die Antragsbefugnis nicht überraschend, stellt aber die Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis klar heraus. Spannender sind die Ausführungen des OLG zum Grundsatz des Nachverhandlungsverbots. Die Argumentation des Senats stellt eine Gratwanderung in Bezug auf das Gleichbehandlungs- bzw. das Transparenzgebot dar. Allerdings betrifft die Entscheidung ausdrücklich nur den Fall, dass nur dieser Bieter Chancen auf den Zuschlag hat. Auch wenn das OLG Nachverhandlungen in diesem Fall ausdrücklich für zulässig erachtet, sollte diese Ausnahme mit Vorsicht angewendet werden. Für den Fall, dass ein solcher Weg beschritten werden soll, ist eine lückenlose Vergabedokumentation dringend anzuraten   
 
Autoren: RA Christine Hohenstein-Bartholl, RA Sandra Stricker