Was bisher geschah
Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) ist im Finanzausschuss des Bundestages über eine erneute Verlängerung der optionalen Übergangsregelung um weitere zwei Jahre diskutiert worden. Hintergrund ist nach inoffiziellen Informationen, dass zahlreiche Kommunen, aber auch Bundes- und Landesbehörden, die notwendigen Vorbereitungen zum Start in die Umsatzsteuerpflicht bis zum 1. Januar 2023 noch nicht umgesetzt haben werden. Aktuell arbeitet das Bundesfinanzministerium an einer Formulierungshilfe für die Regierungsfraktionen im Bund, um die entsprechende Änderung in das laufenden Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2022 einzubringen.
Wie wahrscheinlich ist die Verlängerung?
Nach unserer Einschätzung erscheint es wahrscheinlich, dass die Verlängerungsoption Gesetz wird, da sich bislang offenbar wenig Gegenstimmen gezeigt haben. Die aktuellen Herausforderungen für Bund, Länder und Gemeinden angesichts von Ukraine-Krieg, Gasmangellage, Covid und Flüchtlingskrise bieten genügend Argumente, warum die erforderlichen Umstellungen in der Verwaltung in den letzten Monaten nicht mit dem notwendigen Nachdruck bearbeitet werden konnten. Nachfolgend der Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens:
Von einer Umsetzung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, wenn der Finanzausschuss des Bundestags – nach derzeitigem Zeitplan am 30. November 2022 - die finale Fassung des JStG 2022 beschließt (Beschlussempfehlung).
Der anschließende, für den 2. Dezember 2022 vorgesehene Gesetzesbeschluss des Bundestagsplenums über diese Ausschussfassung ist regelmäßig nur noch Formsache.
Ein mögliches (theoretisches) Restrisiko beschränkt sich dann nur noch auf eine Ablehnung des gesamten JStG 2022 im Bundesrat am 16. Dezember 2022. Wir konnten aus Regierungskreisen hierfür jedoch bislang keine Anzeichen vernehmen.
Damit sollte vorbehaltlich des Beschlusses am 30. November 2022, am 2. Dezember der Gesetzesbeschluss im Bundestag und am 16. Dezember die Zustimmung im Bundesrat erfolgen.
Sollten sich die Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien im Bundestag verzögern, wäre der nächste Termin für die Finalisierung des Gesetzes im Bundestag der 14.-16. Dezember 2022. Auch in diesem Fall würden Bund und Länder vermutlich darauf abzielen, die Bundesratszustimmung noch am 16. Dezember 2022 einzuholen.
Was bedeutet dies für die Kommunen und anderen Juristischen Personen des öffentlichen Rechts?
Eine Verlängerung der Übergangsregelung des § 27 Absatz 22 Satz 3 UStG i.V.m. § 27 Abs. 22a UStG um weitere zwei Jahre bedeutet, dass das alte Umsatzsteuerrecht optional noch bis einschließlich des Jahres 2024 angewendet werden kann. Sofern die Neuregelung analog zur letzten Fristverlängerung erfolgt, so kann die Option zur Anwendung der Übergangsregelung jeweils zu Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres widerrufen werden. Die Kommunen stehen damit vor der Wahl, ab wann sie das neue Recht anwenden möchten:
Wie bisher geplant ab dem 1. Januar 2023. In diesem Fall müsste die Option mit Wirkung zum 1. Januar 2023 widerrufen werden. Dies müsste folglich noch in 2022 entschieden werden, weil bereits für Januar 2023 Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben wären.
Unter voller Ausnutzung der Verlängerung um zwei Jahre, d.h. ab dem 1. Januar 2025. In diesem Fall müsste keine gesonderte Erklärung abgegeben werden.
Unter teilweiser Ausnutzung der Verlängerung um ein Jahr, d.h. bei Widerruf der Option ab dem 1. Januar 2024. Ob diese Möglichkeit genutzt wird, kann auch noch im Laufe des nächsten Jahres entschieden werden.
Für Kommunen und anderen Juristische Personen des öffentlichen Rechts stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit die Verlängerungsmöglichkeit genutzt werden sollte. Dies hängt maßgeblich vom Stand der bisherigen Arbeiten ab:
Insbesondere viele Städte sind mit ihren Vorbereitungen zur Einführung von 2b UStG inzwischen weit fortgeschritten. Die Mitarbeiter sind gedanklich im Thema, Schulungen sind erfolgt und neue Prozesse angestoßen. Ein kompletter Stopp der Arbeiten erscheint in diesem Fall nicht sinnvoll. Auch wenn der Prozess ab Januar 2023 sicher nirgendwo völlig reibungslos laufen wird, können einzelne Fehler und Schwachstellen „im laufenden Betrieb“ identifiziert und beseitigt werden. Stellt man hingegen die Einführung zurück, so besteht das Risiko, dass die Mitarbeiter in den Fachbereichen durch Personalwechsel oder einfaches „Vergessen“ in zwei Jahren schlechter aufgestellt sein werden als heute – was im Ergebnis für alle Beteiligte zusätzliche Arbeit bedeuten würde. Denkbar wäre hier zwar auch, die Übergangszeit für Testläufe zu nutzen, um so die Prozesse weiter zu optimieren. Fraglich ist allerdings, ob die technischen Voraussetzungen hierfür vorliegen und im laufenden Verwaltungsbetrieb solche „Scheinbuchungen“ tatsächlich konsequent durchgeführt würden.
Andere Kommunen und juristische Personen des öffentlichen Rechts haben allerdings zurecht festgestellt, dass sie für die Einführung des § 2b UStG noch nicht ausreichend gerüstet sind. Oft gibt es noch keine vollständigen Sachverhaltslisten und/oder die steuerliche Würdigung einzelner Fragen ist noch nicht abschließend geklärt. Auch die Prozesse haben häufig noch Schwachstellen. Die Festlegung von Verantwortlichkeiten, die Einführung geeigneter Systeme zur Rechnungsstellung, die Erarbeitung von Entscheidungshilfen für die Steuerfindung und die Implementierung geeigneter Konten im Buchführungssystem sind nur einige Themen, die bearbeitet sein sollten, bevor mit der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen begonnen wird. Hier empfiehlt es sich tatsächlich, von der Verlängerungsoption Gebrauch zu machen. Wichtig ist es dann, die neu gewonnene Zeit auch tatsächlich zu nutzen, denn auch zwei weitere Jahre sind schnell vorbei, wenn die nötigen Schritte jetzt nicht konsequent und schnellstmöglich angegangen werden.
Achtung bei Vertragsanpassungen
Viele Kommunen haben bereits ihre bestehenden Verträge mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 angepasst. Ein häufiger Fall ist die Option zur Umsatzsteuer im Rahmen der bestehenden Konzessionsverträge. Hier sollte unbedingt überprüft werden, ob im Fall einer Verschiebung von § 2b UStG durch die Formulierung im Vertrag eine Umsatzsteuer nach § 14c UStG ausgelöst wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Umsatzsteuer betraglich ausgewiesen wurde. Der reine Zusatz „zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer“ sollte hingegen unschädlich sein. Im Fall einer sog. 14c-Steuer, entsteht eine Steuerschuld für die Kommune, obwohl diese wegen der Verlängerungsoption als Nichtunternehmer anzusehen ist. Umgekehrt ist das Stadtwerk als Leistungsempfänger in diesem Fall jedoch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Wir werden Sie auf dem Laufenden halten, wenn sich Neuigkeiten aus dem Gesetzgebungsprozess ergeben. Wenn Sie Fragen oder Diskussionsbedarf haben, melden Sie sich gerne bei uns. Wir sind gespannt, wie die Änderung im Einzelnen bei Ihnen allen aufgenommen und umgesetzt wird.
Autor:innen: StB Gabriele Kirchhof, StB Sebastian Heuser, StB Heike Sökeland