Unrichtiger Umsatzsteuerausweis bei Eintritt in ein Mietverhältnis

Steuerschuld für unrichtigen Umsatzsteuerausweis

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte im Urteil vom 11.04.2022 (7 K 7031/19) darüber zu entscheiden, ob der Käufer einer Immobilie die Umsatzsteuer aus einem unrichtigen Umsatzsteuerausweis schuldet, der sich aus dem vom Voreigentümer abgschlossenen Mietvertrag ergab.

Die Klägerin (eine GmbH) erwarb im Rahmen einer Zwangsversteigerung ein bebautes Grundstück, welches der Voreigentümer u. a. an eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Fachklinik sowie an einen Physiotherapeuten als Praxisräume vermietet hatte. Die Mietverträge wiesen Nettokaltmieten und den Zusatz „zzgl. 19 % MwSt“ sowie einen entsprechenden Umsatzsteuerbetrag aus.

Durch eine Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass wegen der von den Mietern erzielten umsatzsteuerfreien Umsätze eine Option zur Steuerpflicht nach § 9 Abs. 2 UStG nicht in Betracht käme. Aus den Mietverträgen ergebe sich daher ein unrichtiger Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs.1 Satz 1 UStG, so dass die Klägerin diese Umsatzsteuerbeträge schulde.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass das Finanzamt mit dieser Ansicht Recht habe.

Bei Dauerschuldverhältnissen könne sich eine Rechnung aus verschiedenen Elementen zusammensetzen. Ein Teil der Rechnungsbestandteile ergebe sich im vorliegenden Fall aus den Angaben im Mietvertrag und der andere Teil aus den monatlichen Überweisungen. Da die Mieter in den Überweisungstexten keinen Hinweis auf den Leistungszeitraum aufgenommen hatten, ergebe sich dieser aus Vereinfachungsgründen durch die Zuordnung der Zahlungen zu der Periode, in der sie geleistet wurden (Abschnitt 14.5 Abs. 17 UStAE).

Obwohl die Mietverträge von der Voreigentümerin abgeschlossen worden waren, sei die Klägerin auch als "Ausstellerin" der Rechnungen anzusehen. Die Mietverhältnisse seien nach §§ 578 Abs. 1 und 2, 566 Abs. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen und die Mieter hierüber informiert worden. Durch die Überweisung auf das Konto der Klägerin sei eine konkludente Änderung des Mietvertrags und damit auch der Bezeichnung des Leistungsempfängers erfolgt.

In der Zusammenschau lägen somit Rechnungen im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG vor, die die abstrakte Gefahr begründeten, zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden.

Die Klägerin schulde als Ausstellerin dieser Rechnungen den sich daraus ergebenden Umsatzsteuerbetrag. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Mieter die entsprechende Vorsteuer aufgrund ihrer ausschließlich umsatzsteuerfreien Umsätze gar nicht geltend machen könnten. Insoweit komme es nur auf die abstrakte Gefährdungslage an.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, die zwischenzeilich auch eingelegt wurde. Das Aktenzeichen beim Bundesfinanzhof lautet V R 16/22.

Außerdem sind beim Europäischen Gerichtshof noch österreichische Verfahren anhängig, bei denen es um die Fragen geht, ob ein Vertrag eine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist bzw. ob ein unrichtiger Steuerausweis auch dann zu einer Steuerschuld des Ausstellers führt, wenn der Empfänger unstreitig Letztverbraucher ist und somit eine Gefährung des Steueraufkommens mangels Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht in Betracht kommt.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die sich aus der unrichtigen Rechnung ergebende Steuerschuld auch berichtigt werden kann, indem der Steuerausweis für ungültig erklärt wird. Sind die Umsatzsteuerbeträge bereits vereinnahmt worden und besteht daher ein Rückzahlungsanspruch des Leistungsempfängers, verlangen Rechtsprechung und Finanzverwaltung zusätzlich den Nachweis der Erstattung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuerbeträge an den Leistungsempfänger. 

Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zeigt, dass man beim Erwerb einer vermieteten Immobilie zeitnah die Mietverträge nicht nur unter zivilrechtlichen, sondern auch umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten prüfen sollte.

Autoren: StB Matthias Beier, RA Jörg Bittscheidt