Umsatzsteuerfreiheit des Betriebs von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften

BFH, Urteil vom 24.03.2021, V R 1/19

Der BFH hat mit Urteil vom 24.03.2021 zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Flüchtlingsunterkünften Stellung genommen. Demnach kann der Betrieb der Unterkünfte durch eine GmbH nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfrei sein. Dasselbe gilt für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft. 

Sachverhalt

Die (Revisions-)Klägerin, eine nicht gemeinnützige GmbH, betrieb im Streitjahr 2014 Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge, (Spät-)Aussiedler und Obdachlose in im Wesentlichen nicht in ihrem im Eigentum stehenden Immobilien. Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit den Trägern der Unterbringungseinrichtungen, vorliegend Gemeinden und Ländern, erhielt die Klägerin Zahlungen, die nach Anzahl der betreuten Personen oder einem Pauschalbetrag bemessen wurden.

Dabei wurden von der Klägerin und/oder ihren Subunternehmern insbesondere folgende Leistungen erbracht:

  • Ausstattung, Reinigung und Instandhaltung der Unterbringungseinrichtungen
  • Gestellung eines Sicherheitsdienstes, personelle Ausstattung (Heimleitung, Hausmeister etc.) und soziale Betreuung der Bewohner durch Fachpersonal,
  • Organisation und Koordinierung von Gesundheitsuntersuchungen,
  • Verpflegung der Bewohner,
  • Ausgabe von Taschengeld, Wertgutscheinen oder Sachleistungen in Abstimmung mit den Trägern.
  • Strittig war vorliegend die Steuerfreiheit dieser Leistungen.

Entscheidung des BFH und Anmerkung

Der BFH subsumiert den Sachverhalt unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und bejaht damit die Steuerfreiheit.

Das Urteil erging allerdings zur Rechtslage 2014, die sich seither maßgebend geändert hat. In der 2014 gültigen Fassung der nationalen Vorschrift des § 4 Nr. 18 UStG wurden die durch die ständige Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Maßstäbe noch nicht hinreichend umgesetzt. Entsprechend stützt sich der BFH bei seiner Prüfung unmittelbar auf die Regelungen der MwStSystRL.

Aktuelle Rechtslage und Auffassung der Finanzverwaltung

§ 4 Nr. 18 UStG wurde inzwischen unionsrechtskonform an die Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL angepasst. Nunmehr besteht Umsatzsteuerfreiheit unter folgenden Voraussetzungen:

  • Es handelt sich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, die nicht bereits unter andere Nummern des § 4 UStG fallen (und dann ggf. weiteren Voraussetzungen unterliegen). Das BMF-Schreiben vom 14.02.2023 stellt klar, dass hier insbesondere Leistungen an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen zur Überwindung der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit gemeint sind. Davon erfasst sind auch Leistungen im Zusammenhang mit der Migration von Menschen – und dementsprechend auch solche, die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Flüchtlingsunterkünften erbracht werden.
  • Die Leistungen werden von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Die Voraussetzung der fehlenden Gewinnerzielung wird in der Praxis nicht in allen Fällen vorliegen und ist daher sorgfältig zu prüfen und zu dokumentieren.

Hinweis: Die Beschränkung auf Leistende ohne Gewinnerzielungsabsicht ist unionsrechtlich zulässig, weicht aber von der im Urteilsfall geprüften Regelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ab. Ob diese Voraussetzung bei der klagenden GmbH vorlag, hat der BFH nicht geprüft (und musste er nach alter Rechtslage auch nicht prüfen). Ab dem Veranlagungszeitraum 2020 ist bei Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls keine Umsatzsteuerbefreiung mehr möglich. Auf alle weiteren Voraussetzungen kommt dann nicht mehr an.

Autorinnen: StBin Gabriele Kirchhof, StBin Annika Wölky