Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat Ende November die Entwürfe eines Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen („Gesetz zur Strompreisbremse“) und eines Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften („Gesetz zur Preisbremse Gas/Wärme“ im Folgenden zusammen „Gesetze zur Energiepreisbremse“) veröffentlicht. Die Regierung will so auf die gestiegenen Energiekosten reagieren. Der Bundestag soll am 15.12.2022 über die Gesetzesvorlage entscheiden.
Hintergrund
Bekanntlich sehen die Gesetze zu den Energiepreisbremsen vor, dass Verbrauchern im Kalenderjahr 2023 ein gewisses Kontingent des jeweils bezogenen Energieträgers (Elektrizität, Gas oder Wärme) zu einem gedeckelten Verbrauchspreis geliefert wird. Soweit dieser Deckel unter dem jeweils zwischen Energieversorger und seinen Kunden vereinbarten Preis liegt, soll den Lieferanten die Differenz erstattet werden.
Bei Gas und Fernwärme sieht das Gesetz einen Erstattungsanspruch der Unternehmen direkt gegen die Bundesrepublik Deutschland vor. Bei Elektrizität sollen die Verteilnetzbetreiber, in deren Netzen die Kunden angeschlossen sind, zur Erstattung verpflichtet sein. Sie erhalten wiederum einen Erstattungsanspruch gegen den jeweils regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber. Diese sollen die Erstattung sodann grundsätzlich durch ein Abschöpfen sogenannter Übergewinne von bestimmten Stromerzeugungsanlagen finanzieren. Etwaige Fehlbeträge soll letztlich der Staat ausgleichen.
Flankierend bestehen nach den Gesetzesentwürfen Vorgaben für die Gestaltung von Grundpreisen sowie für Begrenzungen für Neukunden- und Wechselprämien.
Besonderes Missbrauchsverbot
Die Gesetze zur Energiepreisbremse sehen ferner ein besonderes Missbrauchsverbot vor, welches in § 39 (Gesetz zur Strompreisbremse) bzw. in § 27 (Gesetz zur Preisbremse Gas/Wärme) nahezu identisch geregelt ist. Ziel der Vorschriften ist es, jeweils Missbrauchsgefahren zu begegnen, die sich aus zusätzlichen Verhaltensspielräumen der Lieferanten im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Gesetze zur Energiepreisbremse ergeben können.
Das Missbrauchsverbot bestimmt zum einen, dass den Lieferanten eine Gestaltung ihrer Preise oder eine sonstige Verhaltensweise verboten ist, die eine missbräuchliche Ausnutzung der Regelungen zur Entlastung von Letztverbrauchern oder Kunden nach den Bestimmungen der Gesetzesentwürfe darstellt.
Insbesondere soll es bis zum Ablauf des 31.12.2023 verboten sein, die (für die Ermittlung der Erstattungsbeträge maßgeblichen) Arbeitspreise ohne sachlichen Grund zu erhöhen. Ein sachlicher Grund kann dabei sein,
- eine entsprechende marktbasierte Preis- und Kostenentwicklung oder
- Entwicklungen der vom Lieferanten im regulatorischen Sinne nicht beeinflussbaren Preis- und Kostenbestandteile.
Für Wärmeversorgungsunternehmen kann sich eine sachliche Rechtfertigung durch die Anwendung einer Preisanpassungsklausel ergeben, welche bereits am 30.09.2022 bestanden hat und den Vorgaben des § 24 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme entspricht.
Bundeskartellamt als Durchsetzungsbehörde
Als Durchsetzungsbehörde ist das Bundeskartellamt berufen, diesem besonderen Missbrauchsverbot behördlich Geltung zu verschaffen. Dabei besteht mit Blick auf die sachliche Rechtfertigung der Preise gegenüber dem Bundeskartellamt eine Darlegungs- und Beweislastumkehr. Die Lieferanten müssen also im Falle einer Preiskontrolle darlegen und beweisen, dass die Preise, insbesondere Preiserhöhungen, sachlich gerechtfertigt sind.
Gelingt es nicht, das Bundeskartellamt zu überzeugen, kann das Amt dem Lieferanten alle Maßnahmen aufgeben, die erforderlich sind, um das missbräuchliche Handeln wirksam abzustellen, insbesondere sind Rückerstattungen von im Rahmen der Energiepreisbremse geleisteten Erstattungen und die Abschöpfung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile des Lieferanten möglich. Im Falle einer sachlich nicht gerechtfertigten Erhöhung von Arbeitspreisen besteht zudem die Gefahr eines Bußgelds.
Neben diesem besonderen Missbrauchsverbot sollen ferner die klassischen kartellrechtlichen Kontrollmöglichkeiten bestehen. Insbesondere gilt für marktbeherrschende Unternehmen das Verbot des Missbrauchs dieser Stellung nach §§ 18, 19 bzw. 29 GWB.
Aufgrund des erheblichen öffentlichen Drucks ist davon auszugehen, dass das Bundeskartellamt von den ihr zugewiesenen Kontrollbefugnissen Gebrauch machen wird. So hatte es schon im Frühjahr im Rahmen des jährlichen Monitorings der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts diverse Informationen zum Endkundenvertrieb, wie die Beschaffungskosten abgefragt. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass das Bundeskartellamt, ebenso wie die Landeskartellbehörden, zukünftig im Rahmen der klassischen kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle verdächtige Sachverhalte untersuchen werden. Zuletzt hatten sich vor allem Landeskartellbehörden mit den Preisen für Elektrizität und Gas in der Grundversorgung beschäftigt.
Fazit
Im Ergebnis ist daher Energieversorgern zu empfehlen, sich ihre Preiskalkulationen bei Gas, Strom und Wärme in allen Tarifen genau anzusehen und zu überprüfen sowie proaktiv eine Dokumentation zu erstellen, die bei Bedarf kurzfristig den Kartellbehörden zur Verfügung gestellt werden kann. Dabei werden aufgrund der komplexen rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Gemengelage neben energiekartell- und energiewirtschaftsrechtlichen Aspekten auch energiewirtschaftliche Belange zu berücksichtigen sein. Sollten Kalkulationen nicht nachvollziehbar sein, drohen u. a. Rückerstattungen, die in der Höhe auch vom Bundeskartellamt geschätzt werden können. Sorgfalt gilt vor allem bei zukünftigen Preiserhöhungen. Diese sind zwar grundsätzlich möglich. Allerdings droht unmittelbar ein Bußgeld, wenn die Erhöhungen nicht nach den Maßstäben der Gesetze sachlich gerechtfertigt sind.
Autoren: RA Hubertus Kleene, Jan Kircher