Der Umgang mit Preissteigerungen im Baubereich

Ein Bereich, der derzeit besonders von Preissteigerungen betroffen ist, ist der Bereich Bau. Preissteigerungen, etwa für Holz, Beton, Bitumen, Stahl und Glas, aber auch die gestiegenen Preise für Kraftstoffe und Energie stellen den bauenden öffentlichen Auftraggeber vor besondere Herausforderungen. Die bisherige Praxis, möglichst auf Festpreise zu setzen und diese vertraglich abzusichern, ist am Markt nur noch schwierig durchsetzbar. Ein Auftraggeber, der in der derzeitigen Marktlage auf Festpreise setzt, hat das Risiko, dass er keine oder nur deutlich überhöhte Angebote erhält. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen am 25. März 2022 einen Erlass (Erlass Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vom 25. März 2022; Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs; BWI7-70437/9#4; im Folgenden nur „Erlass BMWSB“) veröffentlicht, welcher am 22. Juni 2022 ergänzt wurde. Im Kern eröffnet dieser Erlass BMWSB die Anwendung des Formblattes 225 und 225a des Vergabehandbuchs des Bundes und damit die Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln für öffentliche Auftraggeber.

Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass der Erlass BMWSB unmittelbar nur für den Bundesbau gilt. Gleichwohl haben die meisten Bundesländer den Erlass BMWSB für ihre jeweilige Landesverwaltung und die Kommunen für anwendbar erklärt. Etwaige länderspezifische Ergänzungen oder Auslegungshinweise sind zu beachten. 
 
Die Anwendung der Formblätter soll grundsätzlich im Rahmen neuer Vergabeverfahren erfolgen. Gleichwohl eröffnet der Erlass BMWSB auch eine Anwendung der Formblätter 225 und 225a in laufenden Vergabeverfahren und unter bestimmten Bedingungen auch nach Zuschlag. 
 
In Hinblick auf die praktische Anwendung der Formblätter lässt sich feststellen, dass diese alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen stellen. Dies gilt insbesondere für die auf der Auftraggeberseite tätigen Mitarbeiter der Vergabestellen oder der Gebäudewirtschaft bzw. die entsprechend beauftragten Planer oder Projektsteuerer. Die Einführung des Formblattes 225a hat nur bedingt zu der gewünschten Vereinfachung geführt. 
 
Vor dem Hintergrund, dass mit dem Erlass BMWSB und der Übernahme dieses Erlasses auf Länderebene die besondere Marktlage anerkannt und die grundsätzliche Notwendigkeit von Preisgleitklauseln festgestellt wird, halten wir es für grundsätzlich zulässig, dass in bestimmten Fällen Auftraggeber selbstgestaltete, an Indizes gebundene, Preisgleitmechanismen vorgeben, welche weniger komplex sind als die der Formblätter 225 und 225a. 
 
Dies gilt auch deshalb, weil die derzeitige Marktlage teilweise zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führt. Dies betrifft zwar Kostensteigerungen nach Vertragsschluss, zeigt aber mit welchen Volatilitäten die Bauvertragsparteien derzeit umzugehen haben. Der Erlass BMWSB gibt deshalb auch Hinweise, inwieweit solche Kostensteigerungen nach Vertragsschluss eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB begründen und damit zu einer Anpassung des Vergütungsanspruches des Auftragnehmers führen können. Ab welcher Höhe eine Kostensteigerung zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führt, bedarf der Bewertung im Einzelfall. Gleichwohl halten wir es, angesichts der niedrigen Margen in der Bauwirtschaft grundsätzlich für vertretbar, bereits bei Kostensteigerungen von 10% eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass dabei die Gesamtauftragssumme ausschlaggebend ist. Die derzeit häufig vertretene Auffassung von Auftragnehmern, dass schon die – teilweise auch sehr hohen - Preissteigerungen einzelner Stoffe zu einer Preisanpassung führen müssten, ist nicht richtig. Ein Auftraggeber ist nicht verpflichtet, einem Auftragnehmer jede Kostensteigerung zu kompensieren. Auch in der derzeitigen Marktlage verbleibt es beim Beschaffungsrisiko des Auftragnehmers. Aus diesem Grund besteht, zumindest für kommunale Auftraggeber, nach unserer Auffassung auch grundsätzlich weiterhin keine Verpflichtung zur Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln. Es liegt im Ermessen des kommunalen Auftraggebers, ob er solche Klauseln vereinbaren möchte. Ist es ihm möglich, auch ohne Stoffpreisgleitklauseln wirtschaftliche Angebote zu erhalten, so kann und sollte er auf diese verzichten.  
 

Autoren: RA Dr. Bernhardine Kleinhenz-Jeannot, RA Nikolaus Kirchgäßner, RA Thorsten Domning