Abgeltende Wirkung des Kapitalertragsteuerabzugs für Dividendenbezüge eines öffentlich-rechtlichen Versorgungswerks nich

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinem Urteil vom 17. Mai 2022 (VIII R 2/18) mit der Frage beschäftigt, ob die Steuerbelastung bei der Ausschüttung von Dividenden an einen steuerbefreiten Betrieb gewerblicher Art (BgA) zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung führt.

Klägerin des Rechtsstreits war ein öffentlich-rechtliches berufsständisches Versorgungswerk, dessen Tätigkeit als nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreiter BgA behandelt wurde. Im Streitjahr 2010 bezog die Klägerin von einem inländischen Fonds Dividenden. Diese unterlagen dem Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag, wobei der Einbehalt für die Klägerin abgeltende Wirkung hatte. Hinsichtlich der Dividenden wurde der Steuerabzug auf drei Fünftel des Kapitalertrags (15 % zuzüglich Solidaritätszuschlag) herabgesetzt (§ 44a Abs. 8 S. 1 Nr. 1 EStG).

Für den Dividendenbezug beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bescheids über die Freistellung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag mit dem Ziel, sich die Abzugsbeträge erstatten zu lassen. Begründet hatte die Klägerin dies mit dem Argument, dass die sich aus der abgeltenden Besteuerung ergebende Belastung gegen das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gleichbehandlungsgebot verstoße. Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften unterlägen die Dividenden gemäß § 8b KStG nur zu 5 % der Besteuerung, wobei die einbehaltene Kapitalertragsteuer angerechnet werden könne. Auch könne die Kapitalgesellschaft Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit der Verwaltung der Fondsbeteiligungen entstünden, im Rahmen der Veranlagung abziehen, was bei der Klägerin nicht der Fall sei. Und bei gemeinnützigen Körperschaften werde von einem Steuerabzug gar vollständig Abstand genommen.

Der BFH stimmte zwar der Klägerin im Ausgangspunkt zu, dass die Belastung, die sich beim Bezug der Dividenden aus einer inländischen Tochterkapitalgesellschaft über die Investmentfonds im BgA und aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit der mit den Kapitalerträgen im Zusammenhang stehenden Aufwendungen des BgA ergibt, im Vergleich zu einer unbeschränkt steuerpflichtigen veranlagten Kapitalgesellschaft nachteilhaft sei. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiete jedoch keine generelle Gleichbehandlung, sondern bei Finanzzwecksteuern wie der Körperschaftsteuer lediglich, dass die unterschiedlich hohe Belastung des Einkommens der Steuerpflichtigen dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit genüge. Einen Verstoß gegen diese verfassungsrechtlichen Vorgaben könne der BFH hingegen nicht erkennen.

Wegen der partiellen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin seien bei ihr nur die Einkünfte zu besteuern, die einem Steuerabzug unterliegen. Damit werde die Klägerin insoweit genauso behandelt wie juristische Personen des öffentlichen Rechts, die keinen BgA unterhalten und beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind.

Auch der Vergleich mit unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften führe nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Im System des Teileinkünfteverfahrens befänden sich nach Ansicht des BFH unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und die Klägerin in einer grundlegend unterschiedlichen Situation. Die fast vollständige Steuerbefreiung von Dividenden auf Ebene der empfangenden Kapitalgesellschaft diene dazu, die Steuerbelastung nur einmal auf der Entstehungsebene (der ausschüttenden Tochtergesellschaft) und dann erst wieder auf Ebene der Gesellschafter entstehen zu lassen. Zu einer solchen Belastung auf Gesellschafterebene komme es hingegen bei der Klägerin nicht. Das rechtfertige die abgeltende Besteuerung auf Ebene der Klägerin.

Soweit die Klägerin schließlich meine, die Versagung der Steuerbefreiung auf Ebene der Klägerin führe zu einer verfassungswidrigen Vorbelastung der „Weiterausschüttung“ der Dividenden in Form der Leistung von Versorgungsbezügen an die Mitglieder der Klägerin, sei diese Frage bei den Empfängern der Versorgungsbezüge, nicht jedoch auf Ebene der Klägerin zu klären.

Autoren: StB Matthias Beier, RA Jörg Bittscheidt