Eine sogenannte Zeitwertkontengarantie ist nicht zwingend notwendig, um die Behandlung einer Gutschrift auf einem Zeitwertkonto als Zufluss von Arbeitslohn zu vermeiden. So das Finanzgericht Thüringen in seinem Urteil vom 25.11.2021. Damit widerspricht es der Auffassung der Verwaltung, die gegen die Entscheidung Revision eingelegt hat.
FG Thüringen, Urteil vom 25.11.2021, Aktenzeichen 4 K 122/18
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber Gehaltsbestandteile, bei denen es sich im Wesentlichen um Prämien handelte, im Einvernehmen mit den Beschäftigten einbehalten, um sie auf später noch einzurichtende Zeitwertkonten einzuzahlen. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass es für den Prüfungszeitraum noch nicht zur Einzahlung der einbehaltenen Gehaltsbestandteile in die noch einzurichtenden Zeitwertkonten gekommen war, und die Auffassung vertreten, dass die Wertgutschrift auf einem Zeitwertkonto steuerrechtlich nur dann keinen Zufluss von Arbeitslohn auslöst, wenn bestimmte Vorgaben eingehalten sind. Insbesondere bedürfe es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens einen Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Beträge gewährleistete (sog. Zeitwertkontengarantie) – siehe hierzu auch BMF-Schreiben zur lohn-/einkommensteuerlichen Behandlung sowie Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Zeitwertkonten-Modellen vom 17.06.2009 (BStBl. I 2009, S. 1286).
In der Regel fließt Arbeitslohn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Beschäftigten mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu. Geldbeträge fließen dem Arbeitnehmer grundsätzlich dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Beschäftigten bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Dagegen führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten regelmäßig noch nicht zum Zufluss der Einnahmen bzw. des Arbeitslohns. Allerdings kann ein Zufluss von Arbeitslohn auch bei den folgenden Sonderkonstellationen vorliegen:
- Zufluss bei Gutschrift in den Büchern des Arbeitgebers bei Bestehen einer Zahlungsverpflichtung
- Zufluss durch Schuldumwandlung (Novation)
- Zufluss bei Lohnverwendungsabrede
- Zufluss bei Verschaffung eines Anspruchs gegenüber einem Dritten
Das FG Thüringen hat im vorliegenden Fall keinen Zufluss von Arbeitslohn gesehen und orientierte sich bei seiner Entscheidung an der bereits ergangenen BFH-Rechtsprechung zum Zufluss bei Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto (BFH-Urteil vom 22.02.2018 VI R 17/16, BStBl. II 2019, S. 496). Allerdings war in diesem Fall die hier fehlende Zeitwertkontengarantie nicht von Relevanz.
Auch in der fehlenden Zeitwertkontengarantie, die die Finanzverwaltung in ihrem oben genannten BMF-Schreiben voraussetzt, sah das Finanzgericht keinen Grund für einen Zufluss, da dieser unter Berücksichtigung der bisherigen BFH-Rechtsprechung nicht ersichtlich ist und auf den Zeitpunkt der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht durch den Arbeitnehmer und damit auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers, der regelmäßig erst den Zufluss bewirkt, keinen Einfluss hat.
Auch die Finanzverwaltung geht in ihrem oben genannten BMF-Schreiben grundsätzlich davon aus, dass bei einem Zeitwertkonto nicht der Aufbau des Guthabens auf dem Zeitwertkonto, sondern erst die Auszahlung des Guthabens während der Freistellungsphase zu besteuern ist. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarung ist nach Auffassung der Verwaltung aber, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens ein Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Arbeitslohnbeträge (Bruttoarbeitslohn im steuerrechtlichen Sinn ohne den Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) vorgesehen ist (Zeitwertkontengarantie).
Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da die vom Finanzgericht entschiedene Rechtsfrage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und zudem der Verwaltungsmeinung des BMF widerspricht.
Autor: Thore Schmitz