Umzug ins Ausland

Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht

Wenn ein Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht stattfindet (oder umgekehrt), kann der genaue Zeitpunkt des Zuflusses von Einkünften eine große Auswirkung auf ihre jeweilige steuerliche Behandlung haben. In einem aktuellen Urteil ging es darum, ob eine am Tag der Ausreise vereinnahmte Abfindung in Deutschland steuerpflichtig war. Das Finanzgericht Hamburg entschied, dass der betreffende Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung noch in Deutschland einen Wohnsitz hatte und die Abfindung daher in voller Höhe steuerpflichtig war (Urteil vom 12.05.2022, 5 K 141/18).

Auflösungsvereinbarung

Der Kläger war Arbeitgeber eines deutschen Staatsangehörigen. Der Arbeitsvertrag war bis zum Juni 2004 befristet. Der Mitarbeiter erwarb ein Einfamilienhaus und lebte dort mit seiner Lebensgefährtin bzw. späteren Ehefrau. Im Februar 2003 hatte er ein Vorstellungsgespräch mit einem chinesischen Arbeitgeber. Im gleichen Monat schloss er mit diesem einen Anstellungsvertrag und unterzeichnete mit dem Kläger eine Auflösungsvereinbarung. Danach sollte der Arbeitsvertrag noch im Februar 2003 enden.

Die Abfindung für die Auflösung des Arbeitsvertrags war in drei Beträgen zu zahlen, und zwar bei Auflösung des Vertrags, im Juli 2003 und im Juli 2004. Am 20.02.2003 flog der Mitarbeiter mit seiner Ehefrau um 14.35 Uhr in Hamburg ab nach Frankfurt. Von dort aus startete der Flug nach China um 17.40 Uhr.

Zahlung der ersten Rate

Die erste Abfindungsrate wurde dem Bankkonto des Mitarbeiters am 20.02.2003 um 15.00 Uhr gutgeschrieben. Der Arbeitsvertrag mit dem chinesischen Arbeitgeber war zunächst auf ein Jahr befristet, wurde aber um ein weiteres Jahr verlängert. Das Haus wurde im Sommer 2003 vermietet. Im Dezember 2004 kehrte der Mitarbeiter nach Deutschland zurück.

Lohnsteueraußenprüfung erlässt Haftungsbescheid

Der Kläger behandelte alle drei Raten der Abfindungszahlung als in Deutschland steuerfrei. Der Lohnsteueraußenprüfer vertrat dagegen die Auffassung, dass der Mitarbeiter im Zeitpunkt der Auszahlung der ersten Raten noch im Inland unbeschränkt steuerpflichtig war. Das Finanzamt erließ einen Haftungsbescheid für die auf die Zahlung entfallenden Steuern. Der Arbeitgeber erhob nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.

Unbeschränkte Steuerpflicht

Das Finanzgericht hat die Frage, wann die unbeschränkte Steuerpflicht beendet wurde, sorgfältig untersucht. Auf den genauen Tag des Zuflusses kommt es u. a. an, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit einem Umzug ins Ausland unterjährig endet, weil mit dem Umzug der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland aufgegeben werden. Dabei zählt der Tag des Umzugs selbst noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht (BFH, Urteil vom 19.12.2001, I R 63/00).

Wohnsitz im Inland

Bis zur Ausreise am 20.02.2003 nutzte der Arbeitnehmer das Haus in Deutschland mit seiner Frau als Familienwohnung. Es war am Morgen des 20.02.2003 noch vollständig möbliert und weder vermietet noch verkauft. Seinen inländischen Wohnsitz hatte der Mitarbeiter somit noch nicht aufgegeben, als ihm die erste Abfindungsrate am 20.02.2003 um 15:00 Uhr zufloss, weil er sein Haus erst an diesem Tag morgens verließ. Daraus folgerte das Gericht, dass er zu diesem Zeitpunkt noch unbeschränkt steuerpflichtig war.

Gewöhnlicher Aufenthalt

Unabhängig davon hatte der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung zumindest noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, weil er sich körperlich noch dort aufhielt. Sein Flug nach China startete in Frankfurt am Main erst um 17.40 Uhr. Auch dann, wenn man sich zur Ausreise entschlossen hat und wie im Streitfall nur noch einmal für kurze Zeit zur Erledigung von Formalitäten ins Inland zurückkehrt, endet der gewöhnliche Aufenthalt erst mit der endgültigen Ausreise.

Kein Wohnsitz oder Aufenthalt in China

Nach den Feststellungen des FG hatte der Mitarbeiter zum maßgeblichen Zeitpunkt nach geltendem chinesischen Recht weder einen Aufenthalt in China, weil er sich dort nicht 365 Tage im Jahr aufgehalten hat, noch einen Wohnsitz.

Derzeit geltendes Recht

Seit dem Veranlagungszeitraum 2017 stünde Deutschland auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht das Besteuerungsrecht für die Abfindung zu (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG). Denn die Bezüge für die zuvor ausgeübte Tätigkeit waren in Deutschland steuerpflichtig.

Bei einem Zuzug (also im umgekehrten Fall) aus einem Land, mit dem Deutschland kein DBA geschlossen hat, wäre jedoch eine Abfindung nach wie vor in voller Höhe in Deutschland steuerpflichtig, wenn der Empfänger im Zeitpunkt des Zuflusses unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Abfindung als Entschädigung für eine Tätigkeit im anderen Land gezahlt wurde und die Bezüge dafür nicht in Deutschland steuerpflichtig waren. Hier ist Vorsicht geboten, auch wenn die ausländische Steuer in der Regel angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden kann.

Auch bei Einnahmen aus anderen Quellen – etwa bei ausländischen Einnahmen aus Kapitalvermögen – kann bei einem Wechsel der Steuerpflicht die Frage, wann genau die Einkünfte zugeflossen sind, weiterhin von Bedeutung sein.