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Höhe der Säumniszuschläge ab 2019


Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit

Am 08.07.2021 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen schon seit 2014 zu hoch war, und eine Gesetzesänderung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 gefordert. Ob die Höhe anderer Zinsen nach der Abgabenordnung oder von Säumniszuschlägen ebenfalls verfassungswidrig ist, wurde bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Doch bereits in mehreren Verfahren haben die Finanzgerichte Zweifel an der Verfassungskonformität der Höhe von ab 2019 entstandenen Säumniszuschlägen geäußert.

Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat die Höhe der Zinsen für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen ab dem 01.01.2014 für nicht verfassungskonform erklärt (Beschlüsse vom 08.07.2021, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Allerdings ist der geltende Zinssatz für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 weiter anzuwenden. Für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 hat der Gesetzgeber Abhilfe geschaffen und einen Zinssatz von monatlich 0,15 Prozent festgelegt.

Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits vor der Entscheidung des BVerfG auch im Hinblick auf die Höhe der Säumniszuschläge verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Diese bestehen laut BFH zumindest insoweit, als die Säumniszuschläge nicht als Druckmittel dienen, sondern eine zinsähnliche Funktion haben (Beschlüsse vom 26.05.2021, VII B 13/21 [AdV] und vom 10.06.2021, VII B 54/21 [AdV]).

Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von nach dem 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschlägen hat der BFH in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung bestätigt (Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 [AdV]). Außerdem hält das Gericht fest, dass die Höhe der Säumniszuschläge nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein kann, weil es keine Teilverfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm gibt. Die ernstlichen Zweifel umfassen daher die gesamte Höhe der Säumniszuschläge. Der BFH bezieht sich in diesem Zusammenhang auf einen früheren Beschluss, der zu Aussetzungszinsen erging (BFH [NV] vom 04.07.2019, VIII B 128/18).

 

Handlungsempfehlung

Steuerpflichtige, gegen die Säumniszuschläge festgesetzt wurden, sollten abwägen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, gegen die Festsetzung Rechtsbehelf einzulegen. Auch bei anderen Verzinsungstatbeständen nach der Abgabenordnung bzw. dem Einkommensteuergesetz ist zweifelhaft, ob die Höhe des Zinssatzes für Verzinsungszeitraume ab dem 01.01.2019 noch verfassungskonform ist. Hier sollte ebenfalls sorgfältig geprüft werden, ob ein Rechtsbehelf erfolgversprechend ist und wie kostspielig das Verfahren voraussichtlich sein wird. Dies gilt hier umso mehr, da noch keine entsprechenden Musterverfahren bekannt sind. Die bisherigen Entscheidungen bzw. Verfahren betreffen lediglich die Aussetzung der Vollziehung.