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Besteuerungsrecht für Lohn während einer unwiderruflichen Freistellung

Das Besteuerungsrecht für den Lohn, den ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer von seinem Schweizer Arbeitgeber für die Phase seiner unwiderruflichen Freistellung erhält, steht dem Ansässigkeitsstaat Deutschland zu und nicht dem früheren Tätigkeitsstaat Schweiz. Diese Auffassung vertritt das Finanzgericht Hessen in seinem Urteil vom 15.12.2021 (9 K 133/21). Die Revision des Steuerpflichtigen gegen die Entscheidung ist unter dem Aktenzeichen I R 1/22 anhängig (Aufnahme in die Datenbank des BFH am 20.05.2022).

Sachverhalt

Der Kläger war als Außendienstmitarbeiter bei einem Schweizer Unternehmen beschäftigt. Er hatte nur in Deutschland einen Wohnsitz. Mit Schreiben vom 26.04.2016 kündigte der Schweizer Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2016 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Der Kläger erhielt neben der Vergütung für die Monate Januar bis Oktober auch eine Abfindung.

Teilweise Einigung

An den effektiv 63 Arbeitstagen im Streitjahr hat der Kläger an 52 Arbeitstagen seine Tätigkeit in Deutschland und an 11 Tagen in der Schweiz ausgeübt. Die Beteiligten haben sich im Laufe des Verfahrens darauf geeinigt, das Besteuerungsrecht für das auf diese und die Krankheits- und Urlaubstage entfallende Gehalt im Verhältnis der Arbeitstage aufzuteilen, also 11/63 unter Progressionsvorbehalt freizustellen.

Knackpunkt Freistellungsphase

Sie sind zudem übereingekommen, die Abfindung nach den Orten aufzuteilen, von wo aus der Kläger seine Tätigkeit seit Beginn seiner Beschäftigung bei der Gesellschaft ausgeübt hatte (§ 24 Abs. 1 Satz 2 und 3 Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung). Die Vergütung für die Freistellungsphase wollte das deutsche Finanzamt der Besteuerung unterwerfen, während der Kläger der Meinung vertrat, dass dieses als steuerfrei zu behandeln sei.

Finanzgericht weist Klage zurück

Das Gericht hat die Klage zurückgewiesen. Die teilweise Steuerfreistellung sei bereits zu hoch, aufgrund des finanzgerichtlichen Verböserungsverbots jedoch nicht zu korrigieren.

Strittig war insbesondere das Besteuerungsrecht für den Zeitraum der Freistellung. Laut Finanzgericht ist mit Beginn der unwiderruflichen Freistellung jeder Bezug zu einer in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit entfallen. Dass der Lohn anlässlich einer früheren (teilweisen) Tätigkeit in der Schweiz gezahlt wird, sei – analog zur BFH-Rechtsprechung zu Abfindungsfällen – nicht ausreichend, damit Art. 15 Abs. 1 Satz 2 des DBA (Besteuerung im Tätigkeitsstaat) greife.

Das Gericht sieht sich in dieser Sichtweise durch zwei Urteile der Finanzgerichte Baden-Württemberg und Köln und Teile der Fachliteratur bestätigt. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und vom Steuerpflichtigen auch eingelegt.

Handlungsempfehlung

Deutschen Arbeitgebern ist zu empfehlen, Fälle mit der umgekehrten Konstellation (Ansässigkeit im Ausland, frühere Tätigkeit im Inland) genau zu prüfen und gegebenenfalls eine Lohnsteueranrufungsauskunft einzuholen, um ein eventuelles Haftungsrisiko zu vermeiden.