Altvertrag
Ein solcher Altvertrag liegt vor, wenn
- er vor dem 01.01.2005 geschlossen wurde,
- die Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigt sind und
- das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden kann.
Nichtanwendungsgesetz als Reaktion auf Urteil
Die neue Regelung ist eine späte Reaktion auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 01.07.2021 (VIII R 4/18), das von der Finanzverwaltung allerdings nicht angewendet wurde. Damals hat der BFH entschieden, dass Rentenzahlungen aus einem Altvertrag insoweit steuerfrei sind, als die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt. Auch wenn die Finanzverwaltung die Grundsätze des Urteils nicht ausdrücklich übernommen hat, war aufgrund des Urteils eindeutig geklärt, dass die Rentenzahlungen aus solchen Verträgen grundsätzlich von der Einkommensteuer befreit sind. Klagen gegen abweichende Steuerbescheide wäre der Erfolg spätestens vor dem BFH gewiss gewesen.
Unzulässige Rückwirkung?
Unseres Erachtens könnte die Gesetzesänderung eine unzulässige Rückwirkung entfalten. Die Versicherungsverträge wurden vor dem 01.01.2005 geschlossen, als noch der alte Gesetzeswortlaut galt. Die Steuerpflichtigen durften sich damals auf diesen Wortlaut verlassen und konnten diesen auch so auffassen wie der BFH dann später in seiner Entscheidung vom 01.07.2021.
Andererseits stand die Verwaltungsauffassung (die allerdings die Gerichte nicht bindet und vom BFH letztlich verworfen wurde) schon sehr lange im Raum (vgl. BMF-Schreiben vom 31.08.1979, Tz. 10.1). Doch wer zwischen der Veröffentlichung dieser Entscheidung und dem Bekanntwerden der Gesetzesänderung im Vertrauen auf diese Rechtsprechung im Hinblick auf seine Altersvorsorge entsprechende Dispositionen getroffen hat (also etwa eine geringere Vorsorge, weil er steuerfreie Renteneinnahmen aus den Altverträgen erwartete), wurde jedenfalls bitter enttäuscht.
Das Vertrauen in das Gesetz und in die BFH-Rechtsprechung ist grundsätzlich schützenswert. Wie das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Frage der rückwirkenden Gesetzesänderung beantworten wird bzw. würde, ist schwer vorherzusagen.