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Altersvorsorge mit Rentenversicherung: Neue Regelungen bringen Versorgungslücken für Altverträge

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde auch eine für die Vorsorgeplanung wichtige Regelung verabschiedet. Während bei sogenannten Altverträgen mit Kapitalwahlrecht die Kapitalauszahlung weiterhin steuerfrei ist, wurde eine gesetzliche Regelung eingeführt, dass die Rentenzahlungen mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig sind. Beginnt die Rentenzahlung beispielsweise, wenn das 67. Lebensjahr vollendet ist, beträgt der steuerpflichtige Ertragsanteil 17 Prozent. Bei einer monatlichen Rente in Höhe von 500 Euro beläuft sich der steuerpflichtige Teil über einen Zeitraum von zehn Jahren auf insgesamt 10.200 Euro.

Altvertrag

Ein solcher Altvertrag liegt vor, wenn

  • er vor dem 01.01.2005 geschlossen wurde, 
  • die Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigt sind und 
  • das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden kann.

Nichtanwendungsgesetz als Reaktion auf Urteil 

Die neue Regelung ist eine späte Reaktion auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 01.07.2021 (VIII R 4/18), das von der Finanzverwaltung allerdings nicht angewendet wurde. Damals hat der BFH entschieden, dass Rentenzahlungen aus einem Altvertrag insoweit steuerfrei sind, als die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt. Auch wenn die Finanzverwaltung die Grundsätze des Urteils nicht ausdrücklich übernommen hat, war aufgrund des Urteils eindeutig geklärt, dass die Rentenzahlungen aus solchen Verträgen grundsätzlich von der Einkommensteuer befreit sind. Klagen gegen abweichende Steuerbescheide wäre der Erfolg spätestens vor dem BFH gewiss gewesen.

Unzulässige Rückwirkung?

Unseres Erachtens könnte die Gesetzesänderung eine unzulässige Rückwirkung entfalten. Die Versicherungsverträge wurden vor dem 01.01.2005 geschlossen, als noch der alte Gesetzeswortlaut galt. Die Steuerpflichtigen durften sich damals auf diesen Wortlaut verlassen und konnten diesen auch so auffassen wie der BFH dann später in seiner Entscheidung vom 01.07.2021. 

Andererseits stand die Verwaltungsauffassung (die allerdings die Gerichte nicht bindet und vom BFH letztlich verworfen wurde) schon sehr lange im Raum (vgl. BMF-Schreiben vom 31.08.1979, Tz. 10.1). Doch wer zwischen der Veröffentlichung dieser Entscheidung und dem Bekanntwerden der Gesetzesänderung im Vertrauen auf diese Rechtsprechung im Hinblick auf seine Altersvorsorge entsprechende Dispositionen getroffen hat (also etwa eine geringere Vorsorge, weil er steuerfreie Renteneinnahmen aus den Altverträgen erwartete), wurde jedenfalls bitter enttäuscht. 

Das Vertrauen in das Gesetz und in die BFH-Rechtsprechung ist grundsätzlich schützenswert. Wie das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Frage der rückwirkenden Gesetzesänderung beantworten wird bzw. würde, ist schwer vorherzusagen.

Handlungsbedarf

Wer vor Jahren bei Vertragsschluss mit spitzem Bleistift seine Altersvorsorge berechnet und sich darauf verlassen hat, dass die Rente in voller Höhe steuerfrei sein wird, hat jetzt eine Versorgungslücke, die geschlossen werden muss. Betroffene sollten das Einlegen eines Rechtsbehelfs prüfen lassen. Auch wenn unseres Erachtens fraglich ist, ob hier nicht eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung vorliegt, sollten von der Änderung Betroffene soweit jetzt noch möglich ihre Altersvorsorge aufstocken oder alternativ über Einsparpotenzial bei ihren (künftigen) Ausgaben nachdenken.