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Wie kann Distressed M&A als werthaltige Lösung fungieren?

Wenn Unternehmen in die Krise geraten, ist guter Rat teuer. In einem späten Stadium kann eine Distressed M&A oftmals die einzige werterhaltende Lösung darstellen.

Ein Verkaufsprozess in einer Krise stellt alle Beteiligten regelmäßig vor wesentliche Herausforderungen wie beispielsweise hohen Zeitdruck, ein sehr hohes Maß an Komplexität der Transaktion, unzureichende Datenqualität oder die Vielzahl zu berücksichtigender Stakeholder-Interessen. Ein richtig und vor allem rechtzeitig aufgesetzter M&A-Prozess kann eine werterhaltende Lösung darstellen.

Folgende Thesen zu Distressed-M&A-Prozessen verdeutlichen die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen diese Prozesse in der Regel ablaufen:

  • Abhängig von der Situation kann eine Distressed-M&A-Transaktion eine werterhaltende Lösung darstellen.
  • Die Komplexität der Transaktion nimmt mit der Krisenintensität überproportional zu.
  • Der Unternehmenswert für alle Stakeholder nimmt mit zunehmendem Krisenstadium überproportional ab.
  • Der Grad des Eigeninteresses steigt im Verlauf der Krise überproportional.
  • Führt der M&A-Prozess nicht zum Erfolg, bleibt als Option die Abwicklung des Unternehmens.

Krisenursachen und Stadien der Krise

Geraten Unternehmen in eine Krise, durchlaufen sie regelmäßig unterschiedliche Krisenstadien, die – je nach Ursache und zeitlichem Verlauf – von der Stakeholder- bis hin zur Liquiditätskrise reichen und zur Insolvenz führen können. Während sich der Handlungs- und Zeitdruck mit fortschreitendem Krisenstadium deutlich erhöht, sind belastbare Informationen, die die Krisenursachen transparent machen und für die Ableitung geeigneter Sanierungsmaßnahen erforderlich sind, meist nur sehr eingeschränkt oder gar nicht verfügbar.

Spätestens ab dem Einsetzen der Erfolgskrise steigt der Druck seitens bestehender Geldgeber und anderer Stakeholder, die finanzielle und operative Sanierungsmaßnahmen (z. B. Einbringung von Eigenkapital) fordern. Da Krisensituationen häufig zu einem Vertrauensverlust gegenüber dem Management führen und dieses meist zeitlich wie fachlich überfordern, verlangen Stakeholder oft die Beiziehung externer Restrukturierungsexperten. In einem späten Krisenstadium kann eine Distressed M&A oftmals die einzig verbleibende werterhaltende Lösung darstellen. Wird ein solcher Prozess initiiert, stellt dies die Beteiligten in einer ohnehin kritischen Phase mit hoher Kapazitätsbindung vor weitere wesentliche Herausforderungen.

Herausforderungen im Distressed-M&A-Verlauf

Ein M&A-Prozess in einer angespannten Lage weist aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen eine erhöhte Komplexität im Vergleich zu üblichen Prozessen auf. Zu beachten sind hier vor allem folgende Themen, die häufig zu kurzfristig wechselnden Anforderungen und entsprechend geringer Prozesssicherheit führen.

Die Transaktionsstruktur ist zu Beginn eines Distressed-M&A-Prozesses erfahrungsgemäß oft unklar. Infrage kommen beispielsweise oftmals die Veräußerung von Gesellschaften beziehungsweise einzelner Teilbereiche oder die Beteiligung eines Investors, entweder mit dem Ziel der Kapitalstärkung oder im Rahmen eines strategischen Investments. Diese grundsätzlichen Entscheidungen kristallisieren sich häufig erst zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt im Distressed-M&A-Prozess heraus.

Vor weitere Herausforderungen können die Beteiligten durch mangelnde Datenqualität – insbesondere durch eine nicht belastbare Zahlenbasis und durch eine nicht untermauerte Planung – gestellt werden. Dies ist speziell angesichts des herrschenden Zeitdrucks zur Bereitstellung entscheidungsrelevanter Unterlagen problematisch.

Die hohe Kapazitätsbindung der Management-Ressourcen in einer angespannten Lage einerseits und unterschiedliche Interessenlagen und vor allem differenzierte Einschätzungen zum Krisenstadium des Unternehmens andererseits können die Zusammenarbeit mit dem Management im Prozessverlauf wesentlich beeinflussen.

Hinzu kommt, dass sich meist auch die Anzahl und Interessen der Stakeholder signifikant von jenen bei anderen M&A-Transaktionen unterscheiden.

Interessen der Stakeholder

Der Verkaufsprozess vor einer drohenden oder bereits eingetretenen Insolvenz erfordert eine zielgerichtete Koordination und Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern mit zum Teil widersprüchlichen Interessen.

  • Für potenzielle Investoren stehen vor allem Transparenz, Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Finanzzahlen und der Businessplanung sowie eine klar definierte Transaktionsstruktur unter Berücksichtigung zukünftiger weiterer Restrukturierungen im Vordergrund.
  • Zentrale Interessen des Managements (beziehungsweise etwaiger Verwalter) sind hingegen die Befriedigung der bestehenden Gläubiger, die Limitierung der Verluste, die Sicherung möglichst vieler Arbeitsplätze sowie das Ziel der Fortführung des Unternehmens und gegebenenfalls die Bewahrung der eigenen Integrität.
  • Gläubiger fordern in der Regel die maximale Bedienungsquote, Klarheit über den Fortgang der Geschäftsbeziehung und eine entsprechende Balance zwischen Vorfinanzierung und Risiko, während aus Sicht des zu veräußernden Unternehmens die Sicherstellung der Versorgung im Vordergrund steht.
  • Für Kunden sind Planungssicherheit und Liefertreue von zentraler Bedeutung.
  • Zentral für Mitarbeiter ist die Arbeitsplatzsicherheit, während für das betroffene Unternehmen der Erhalten von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen und von Knowhow essenziell ist.

Die entsprechende Berücksichtigung und gegebenenfalls Abstimmung dieser vielseitigen und teilweise konträren Stakeholder-Interessen unter hohem Zeitdruck und hoher Kapazitätsauslastung stellt eine der zentralen Herausforderungen im Rahmen der Transaktion dar.

Differenzierte Sichtweise der Investorengruppen

Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor eines jeden Distressed-M&A-Prozesses ist die Ansprache der richtigen Investoren bzw. Investorengruppen. Die Auswahl potenzieller Investoren richtet sich in einem Distressed-Umfeld neben Faktoren wie Branche, Standort oder Unternehmensgröße auch nach dem jeweiligen Krisenstadium. Fundierte Kenntnisse der Investorenlandschaft sind daher für ein Gelingen der Transaktion von fundamentaler Bedeutung.

Für strategische Investoren stehen Überlegungen wie beispielsweise die Gewinnung von Marktanteilen, die Ergänzung des eigenen Produktprogramms oder die Nutzung von Synergiepotenzialen im Vordergrund. Auch Finanzinvestoren investieren tendenziell eher in Unternehmen in frühen Krisenstadien. Unternehmen, die sich in späteren Krisenstadien befinden, sind als Target für Opportunity- und Risikoinvestoren von größerer Bedeutung.

„Value Break” als wesentliches Entscheidungskriterium

Wesentliches Entscheidungskriterium für Gläubiger und Investoren ist der „Value Break“. Dem Unternehmenswert werden die bestehenden Verbindlichkeiten, abhängig von der jeweiligen Besicherungslage, gegenübergestellt. Nach einem Wasserfallprinzip kann in der Folge ermittelt werden, welche Verbindlichkeiten in welchem Ausmaß durch den aktuellen Unternehmenswert bedient werden können. Mit zunehmendem Krisenstadium reicht der Unternehmenswert nicht mehr aus, um die Gläubiger vollständig bedienen zu können. Daher ist für diese ein frühzeitiges Handeln für die eigene Vermögenssicherung elementar. Für Investoren ist entscheidend, dass der Unternehmenswert so gesteigert werden kann, dass eine ausreichende Verzinsung ihres neuen Eigenkapitals erzielt werden kann – nur dann wird vor der Insolvenz investiert. In der Insolvenz kommt i. d. R. die volle Wertsteigerung den Investoren zugute, da das Unternehmen (i. d. R. durch einen Asset Deal) schuldenfrei übernommen wird.
 

Fazit

Unser Artikel über die Herausforderungen im Bereich Distressed-M&A sind eine Guideline für die ersten Schritte in die richtige Richtung. Die nächsten Schritte planen wir gerne gemeinsam mit Ihnen und freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.

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