Die Novellierung und der Erlass von Gesetzen über die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, Formwechseln und Spaltungen (MgVG und MgFSG) im Rahmen der Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie bringen weitreichende Änderungen bei den Mitbestimmungsregelungen.
Die EU hat am 27.11.2019 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen die Richtlinie (EU) 2019/2121 (EU-Umwandlungsrichtlinie) zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Gesellschaftsrechtsrichtlinie; im Folgenden: GesRRL) beschlossen. In Deutschland läuft aktuell das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Vorgaben in deutsches Recht. Dieses gliedert sich in zwei Gesetzesentwürfe – einerseits in den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG), welches u.a. Änderungen im Umwandlungsgesetz, Aktiengesetz sowie im Handelsgesetzbuch mit sich bringt, und andererseits in den Entwurf eines Gesetzes bezüglich der die unternehmerische Mitbestimmung betreffenden Regelungen (MgVG sowie MgFSG).
Der Bundestag hat am 01.12.2022 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Bestimmungen der EU-Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (Drs. 20/3817) gebilligt. Die Weiterleitung an den Bundesrat erfolgt nun unverzüglich. Uns liegen zurzeit keine Informationen dahingehend vor, dass der Bundesrat Einspruch gegen den Beschluss einlegen wird. Zum Gesetzesentwurf zum UmRUG wird der Bundestag in seiner am 15.12.2022 stattfindenden Sitzung beraten (UmRUG; Drs. 20/3822).
Im Bereich der unternehmerischen Mitbestimmung hält die EU-Umwandlungsrichtlinie an dem bereits für die SE (Societas Europaea) und die grenzüberschreitende Verschmelzung bewährten Grundkonzept aus Verhandlungsmodell und Auffanglösung fest. In Deutschland wird dieses Konzept durch die Novellierung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) sowie durch das neu eingeführte Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und bei grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) umgesetzt. Bisher gilt bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen grundsätzlich das sogenannte Sitzstaatsprinzip; d.h. dass für jede aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehende Gesellschaft die Mitbestimmungsregelungen des Mitgliedstaats gelten, in dem sie ihren neuen Satzungssitz hat. Dieses Prinzip bleibt auch bei der Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie erhalten, erfährt aber aufgrund der uneingeschränkten Geltung und damit verbundenen Anreizen zur „Flucht aus Mitbestimmung“ weitreichende Einschränkungen.
Die auf Art. 86l II, 133 II, 160l II GesRRL beruhenden neuen bzw. angepassten § 5 MgVG und § 5 MgFSG regeln die Verhandlungstatbestände. Darunter versteht man gesetzlich definierte Tatbestände, bei deren Vorliegen nicht mehr das Sitzstaatprinzip gilt, sondern über die unternehmerische Mitbestimmung neu verhandelt werden muss. Dafür wird auf der Arbeitnehmerseite ein „besonderes Verhandlungsgremium“ (bVG) gewählt, welches mit den Leitungsorganen der beteiligten Gesellschaften über entsprechende Regelungen in der neuen Gesellschaft verhandelt (§ 18 MgVG, § 19 MgFSG). Die Verhandlungstatbestände der Mitbestimmungsminderung oder der Benachteiligung ausländischer Mitarbeiter galten auch bislang schon bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen. Bisher galt in dem dritten Verhandlungstatbestand aber der Schwellenwert von 500 Arbeitnehmern (§ 5 Nr. 1 MgVG/Art. 133 II GesRRL a.F.). Zukünftig greift die Verhandlungspflicht bereits dann ein, wenn die formwechselnde, sich spaltende Gesellschaft oder eine der verschmelzenden Gesellschaften in den sechs Monaten vor Offenlegung des Plans eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigte, die mindestens 4/5 des im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Schwellenwerts für die unternehmerische Mitbestimmung entspricht. Sollte einer der Verhandlungstatbestände erfüllt sein, so gelten die Verhandlungsmodelle nach SE-RL (Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 08.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer) und SE-VO entsprechend (§§ 6 ff. MgVG, §§ 6 ff. MgFSG in Umsetzung von Art. 86l III, 133 III, 160l III GesRRL). Allerdings wird das SE-Verhandlungsmodell nicht vollumfänglich übernommen, sondern findet nur in modifizierter Art und Weise Anwendung:
Das bVG kann mit qualifizierter Mehrheit beschließen, dass keine Verhandlungen eröffnet oder bereits eröffnete Verhandlungen beendet und die Mitbestimmungsregelung angewendet wird, die im jeweiligen Zielstaat gilt. Weitere Unterschiede zum typischen SE-Verfahren schlagen sich in folgenden Merkmalen nieder:
- Jede Zielgesellschaft muss eine „mitbestimmungskompatible“ Rechtsform annehmen, um die Ausübung der sich ergebenden Mitbestimmungsrechte zu ermöglichen (keine notwendige Umsetzung in Deutschland).
- Wenn innerhalb von vier Jahren nach Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Umwandlung weitere nationale oder grenzüberschreitende Formwechsel, Verschmelzungen oder Spaltungen erfolgen, sind die Verhandlungsregeln erneut entsprechend anzuwenden (Perpetuierungsklausel, §§ 30, 30a MgVG, §§ 32, 33 MgFSG).
- Zwecks Transparenz muss die Gesellschaft ihren Arbeitnehmern oder deren Vertretern das Ergebnis der Verhandlungen über die unternehmerische Mitbestimmung ohne unangemessene Verzögerung mitteilen (§ 19a MgVG, § 21 MgFSG).
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