Einigung beim Wachstumschancengesetz! Oder doch nicht?

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22 Februar 2024
Bereich Steuerpolitik

Am 21.02.2024 hat sich der Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss für das Wachstumschancengesetz geeinigt. Gegenüber dem ursprünglich im Bundestag verabschiedeten Maßnahmenpaket fällt die nun getroffene Vereinbarung weit weniger umfangreich aus. Unklar ist jedoch, ob der Bundesrat der Einigung zustimmen wird.

Nachdem von einer informellen Arbeitsgruppe in den Wochen vor dem Zusammentreten des Vermittlungsausschusses (VA) eine vorläufige Einigung zum Wachstumschancengesetz (WtChancenG) erarbeitet wurde (vgl. EY-Steuernachricht vom 15.02.2024), haben die Vertreter von Bund und Ländern diese am 21.02.2024 in der offiziellen Sitzung grundsätzlich abgesegnet.

Anders als in der Vergangenheit oft üblich, hat der VA dem Kompromiss aber nicht mit breiter Mehrheit, sondern nur mit den Stimmen der Ampel-Parteien zugestimmt. Der Wunsch der Union, eine ergänzende Protokollerklärung zur Rücknahme der Steuererhöhungen beim Agrardiesel zu beschließen, wurde damit zurückgewiesen. Deshalb ist derzeit noch nicht absehbar, ob die Länder, in denen die Union an der Regierung beteiligt ist, im Bundesrat die im VA erzielte Einigung bestätigen werden.

Der Kompromissvorschlag ist in einer Beschlussempfehlung für Bundestag und Bundesrat zusammengefasst, in der die Änderungen im Vergleich zu der am 17.11.2023 vom Bundestag beschlossenen Gesetzesfassung (vgl. EY-Steuernachricht vom 17.11.2023) dargestellt werden. Daraus lassen sich die folgenden Eckpunkte des (vorbehaltlich der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat) finalen WtChancenG ableiten:

  • Reduzierung des Steuerausfallvolumens von 6,3 Mrd. Euro (Stand Gesetzesbeschluss des Bundestages) auf gut 3 Mrd. Euro pro Jahr (wobei einige der entlastenden Maßnahmen zeitlich begrenzt sind).

Im Vergleich zum Gesetzesbeschluss des Bundetages unverändert angenommen:

  • Regelungen zur grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung in § 1 Abs. 3d und 3e AStG ab VZ bzw. EZ 2024.
  • Anpassungen bei der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG): Verbesserung des Thesaurierungsvolumens, aber auch Verschärfungen bei den Nachversteuerungstatbeständen.
  • Geringfügige Anpassungen des Optionsmodells in § 1a KStG.
  • Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 Abs. 2 UmwStG): Der Vermittlungsausschuss bestätigt die rückwirkende zeitliche Anwendungsregelung. Alle Spaltungen, die am 14.07.2023 (Datum des Referentenentwurfs) noch nicht zum Handelsregister angemeldet waren, sind demnach von der Neuregelung erfasst.
  • Änderungen bei der Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau (§ 7b EStG), u.a. Erhöhung der Baukostenobergrenze und Verlängerung des Förderzeitraums bis zum 30.09.2029.
  • Aufhebung der laut Gesetzesbegründung aufgrund von § 4k Abs. 4 EStG entbehrlichen Regelung zur doppelten Verlustberücksichtigung bei der ertragsteuerlichen Organschaft in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG.
  • Anhebung der Unschädlichkeitsgrenze für Einnahmen aus dem Betrieb von EEG-Anlagen und Ladestationen bei der erweiterten gewerbesteuerlichen Grundstückskürzung von bisher 10 Prozent auf 20 Prozent ab EZ 2023 (§ 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG).
  • Erhöhung der Freigrenze für den Quellensteuereinbehalt bei Vergütungen für Rechteüberlassungen von 5.000 auf 10.000 Euro (§ 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).
  • Bewertung von Einlagen junger Wirtschaftsgüter mit (fortgeführten) Anschaffungs-/Herstellungskosten nur dann, wenn diese aus dem Privatvermögen stammen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG).
  • Einführung der obligatorischen eRechnung im B2B-Bereich grundsätzlich zum 01.01.2025. Der allgemeine Übergangszeitraums umfasst zwei Jahre, d.h. den Zeitraum vom 01.01.2025 bis zum 31.12.2026.
  • Erhöhung der Schwelle für die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung (Möglichkeit zur Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten) von 600.000 Euro auf 800.000 Euro (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG).
  • Neuregelung im Zusammenhang mit einer disquotalen Einlage eines Kommanditaktionärs in die KGaA (§ 7 Abs. 9 ErbStG).
  • Anhebung der Betragsgrenze für Geschenke von 35 Euro auf 50 Euro (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG).
  • Anhebung des Freibetrags für private Veräußerungsgeschäfte von 600 Euro auf 1.000 Euro (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG).
  • Anpassung der Besteuerung von Renten aus der Basisversorgung.
  • Anhebung der handels- und steuerrechtlichen Buchführungsgrenzen von 600.000 Euro auf 800.000 Euro (Gesamtumsatz) und von 60.000 Euro auf 80.000 Euro (Gewinn) (§§ 141 AO, 241a HGB).
  • Einführung von Regelungen zu internationalen Prüfungs- und Risikobewertungsverfahren (§§ 89b, 117, 117e, 194 AO).
  • Durchführung gemeinsamer Prüfungen mit EU-Mitgliedsstaaten (EUAHiG).
  • Ausschluss der Freistellung von Vermietungseinkünften ohne steuerliche Vorbelastung bei Investmentfonds (§ 2 Abs. 9a InvStG, § 43 Abs. 1 InvStG).

Verändert angenommen:

  • Der verbesserte Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG) soll für vier Jahre (2024 bis 2027) i.H.v. 70 Prozent (anstatt der im Bundestagsbeschluss vorgesehen 75 Prozent) gewährt werden. Dies gilt auch für die Körperschaftsteuer, entgegen dem Beschluss des Bundestages aber nicht für die Gewerbesteuer.
  • Bei der Forschungszulage soll die maximale Bemessungsgrundlage auf 10 Mio. statt 12 Mio. Euro angehoben werden. Die übrigen Änderungen kommen unverändert, gelten aber grundsätzlich erst ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes.
  • Die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden, beträgt nur maximal das Zweifache der linearen AfA bzw. maximal 20 Prozent.
  • Die auf sechs Jahre befristete degressive AfA für Wohngebäude mit Baubeginn ab dem 01.10.2023 soll i.H.v. 5 Prozent (statt 6 Prozent) möglich sein (§ 7 Abs. 5a EStG).
  • Erhöhung der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG von 20 auf 40 Prozent (statt auf 50 Prozent).
  • Bei der Dienstwagenbesteuerung soll für reine Elektrofahrzeuge der maßgebliche Bruttolistenpreis auf 70.000 Euro steigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG). Die alternative Reichweitengrenze von 80 km bei Hybridfahrzeugen soll doch beibehalten werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 Nr. 5 EStG).
  • Abschaffung der Berücksichtigung der Tarifermäßigung (Fünftelregelung) im Lohnsteuer-Abzugsverfahren ab dem 01.01.2025 statt ab dem 01.01.2024 (Streichung des § 39b Abs. 3 Sätze 9 und 10 EStG).

Nicht umgesetzt werden dagegen:

  • Auf die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen wird verzichtet.
  • Die Klimaschutz-Investitionsprämie kommt nicht mit dem WtChancenG. Abzuwarten bleibt, ob die Koalition zu einem späteren Zeitpunkt eine überarbeitete Investitionsprämie vorlegt, und damit insbesondere auf die Forderung der Länder eingeht, für die Beantragung und Auszahlung der Prämie nicht auf die Finanzverwaltung zuzugreifen.
  • Der verbesserte Verlustvortrag bei der Gewerbesteuer (§ 10a GewStG) entfällt.
  • Der Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG) wird nicht erhöht und es erfolgt auch keine Verlängerung des Rücktragszeitraums auf drei Jahre. Damit gelten ab dem VZ 2024 wieder die alten Höchstgrenzen von 1 Mio. Euro bzw. 2 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagung) bei einem Rücktragszeitraum von zwei Jahren.
  • Die GWG-Grenze wird nicht erhöht, beim Sammelposten wird weder die Wertgrenze erhöht noch der Abschreibungszeitraum verkürzt (§ 6 Abs. 2 und 2a EStG).
  • Weder die Pauschalbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen noch der Freibetrag für Betriebsveranstaltungen werden angehoben.
  • Verzichtet wird auch auf die Anhebung des Fördersatzes für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung (§ 35c EStG) auf insgesamt 30 Prozent.
  • Die Einführung einer Freigrenze für die Steuerfreiheit von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 EStG entfällt.
  • Das vorzeitige Auslaufen der befristeten ermäßigten Umsatzbesteuerung für Gas- und Wärmelieferungen zum 29.02.2024 wird nicht umgesetzt. Für Gas- und Wärmelieferungen gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz daher bis zum 31.03.2024.

Die Anpassung der Zinsschranke (§ 4h EStG) sowie die steuerlichen Reaktionen auf das MoPeG inkl. einer auf drei Jahre befristeten Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer wurden bereits im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes umgesetzt (vgl. EY-Steuernachricht vom 13.12.2023).

Der Bundestag wird dem Kompromiss voraussichtlich schon am 23.02.2024 zustimmen. Im Anschluss wird sich der Bundesrat voraussichtlich in seiner Sitzung am 22.03.2024 damit befassen. Erhebt dieser keine weiteren Einwände, kann das Gesetzgebungsverfahren zum Ende des ersten Quartals 2024 abgeschlossen werden. Sollte der Bundesrat dem VA-Ergebnis nicht zustimmen, könnten der Bundestag oder die Bundesregierung erneut einen VA zu dem Gesetz anrufen.

Sämtliche Details der Einigung sind im Verhandlungsergebnis des Vermittlungsausschusses enthalten, das u.a. auf der Seite des Bundesrats verfügbar ist.

Direkt zum Verhandlungsergebnis kommen Sie hier

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