5 Minuten Lesezeit 17 Juni 2021
Modernes Haus mit Garten

Wie Dekarbonisierung den Wandel im Energie- und Gebäudesektor antreibt

Von Philipp Rubner

Partner Assurance, Climate Change & Sustainability Services, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Sieht viel Potenzial für Unternehmen in ESG-Aligned Business Models und Green Infrastructure; genießt die Freizeit mit seiner Familie am Strand von Sankt Peter-Ording und ist passionierter Kitesurfer

5 Minuten Lesezeit 17 Juni 2021

Weitere Materialien

  • Die Zukunft des Marktes für dezentrale Energielösungen (pdf)

Immer schärfere Klimaziele sorgen dafür, dass der Markt für dezentrale Energielösungen sich grundlegend verändert. Das bietet auch Chancen.

Überblick
  • Anbieter im Energie- und Gebäudesektor stehen durch die Dekarbonisierung zunehmend unter Druck, ihre Geschäftsmodelle zu transformieren.
  • Eine Sanierungswelle bringt neue Geschäftsmöglichkeiten bei dezentralen Energielösungen. Strombasierte Technologien wie Wärmepumpen profitieren besonders.
  • Die Aufgaben der Anbieter wandeln sich. Das Ziel: wiederkehrende Umsätze durch Nutzung von Datenströmen, etwa über innovative Services und Produktbündel.

Die Zukunft ist CO2-neutral – das gilt auch für die Energiewirtschaft und den Gebäudesektor. An der Dekarbonisierung führt kein Weg mehr vorbei. Immer schärfere Klimaziele erhöhen den Druck auf etablierte Anbieter. Sie müssen neue Wege finden, um in Zukunft Marktanteile zu halten und profitabel zu bleiben. Das bringt Risiken mit sich, aber auch Chancen für innovative Geschäftsmodelle.

In einer besonders tiefgreifenden Transformation befindet sich der Markt für dezentrale Energielösungen. Ob Hersteller, Großhändler, Handwerker oder Energieversorger: Alle Teilnehmer sind gezwungen, in den kommenden Jahren ihr Ökosystem zu überdenken. Dabei werden einige Aufgaben ganz neu verteilt.

Die Dekarbonisierung treibt Player des dezentralen Energielösungsmarktes dazu, sich bis 2030 auf neue strategische Paradigmen auszurichten.

Haupttreiber dieses Drucks zur Transformation sind immer strengere regulatorische Vorgaben beim Klimaschutz auf deutscher und europäischer Ebene. Schärfere Regelungen erhöhen bei Endkunden die Ansprüche an Nachhaltigkeit und verändern ihr Nachfrageverhalten.

Investoren stehen unter Druck in Richtung nachhaltiger Asset-Portfolios und geben diesen an Unternehmen weiter. Auf technologischer Seite verschärft die Entwicklung neuer nachhaltiger Erzeugungs- und Speichertechnologien den Wettbewerb.

EY-Studie zeigt: Die große Sanierungswelle kommt erst noch

Welche aktuellen Entwicklungen bringen die größten Veränderungen, welche Strategien verfolgen Marktteilnehmer und wie könnte der Energie- und Gebäudesektor im Jahr 2030 aussehen? Unsere aktuelle Studie „Die Zukunft des Marktes für dezentrale Energielösungen“ beantwortet diese Fragen. Sie basiert auf strategischen Dialogen mit Vorständen, Geschäftsführungen und Strategieleitungen von Herstellern, Großhändlern, Verbänden und Startups sowie von Endkunden, also privaten Ein- und Mehrfamilienhaus-Eigentümern.

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  • Download - Die Zukunft des Marktes für dezentrale Energielösungen

Um die Klimaziele zu erreichen, wird der Staat noch stärkere Vorgaben machen müssen. Einer der größten Hebel für Energieeinsparungen liegt dabei im Gebäudebestand. Bis 2030 müssen laut aktuell gültigem Bundes-Klimaschutzgesetz die Emissionen im deutschen Gebäudesektor noch einmal um mindestens 42 Prozent sinken – weitere Verschärfungen werden aktuell diskutiert.

  • Zwei Drittel aller deutschen Wohngebäude wurden vor 1979 gebaut – und damit noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung.
  • Über 85 Prozent der Wohngebäude sind nur teilsaniert oder sogar unsaniert.
  • 92 Prozent der Wärme in Deutschland wird dezentral erzeugt, im Wohnungsbestand sind mehr als 40 Prozent dieser Anlagen über 20 Jahre alt.

Hoher Handlungsbedarf

85 %

der deutschen Wohngebäude haben eine Sanierung nötig.

Das Potenzial für Sanierungen ist in Deutschland also sehr hoch. Der Gesamtmarkt für dezentrale Energielösungen, den Anbieter adressieren können, hat ein Volumen von mehr als 30 Milliarden Euro.

Die Wärmepumpe wird bis 2030 zur Schlüsseltechnologie

Zwar sind bei der dezentralen Wärmeerzeugung momentan noch konventionelle Technologien führend, doch Wärmepumpen gewinnen unaufhaltsam an Bedeutung. Das Verbrennen fossiler Brennstoffe zum Heizen wird durch staatliche Maßnahmen immer unattraktiver. Vorgaben in Kombination mit Fördermitteln führen zukünftig dazu, dass Endkunden flächendeckend Öl- und Gaskessel austauschen. Zwar machen Ölkessel derzeit noch gut 25 Prozent der Heizungsanlagen in Deutschland aus, aber bis 2030 könnte ihr Anteil auf etwa zehn Prozent fallen. Dagegen dürften Wärmepumpen ihren Marktanteil von circa 5 auf 30 Prozent vervielfachen. Aktuell verzögern niedrige CO2-Preise noch den Durchbruch der Wärmepumpe, doch das wird sich absehbar ändern.

Im Verhältnis der Akteure untereinander werden die Karten neu gemischt

Wenn der Markt für dezentrale Energielösungen sich wandelt, übernehmen einige Marktteilnehmer im Zeitraum bis 2030 neue Funktionen. Treibende Kräfte dabei sind Kapazitätsengpässe im Handwerk, der Druck zur Effizienzsteigerung und die Möglichkeit neuartiger digitaler Angebote für Endkunden.

  • Hersteller übernehmen Aufgaben des Handwerks

    Zwar streben Hersteller keinen Wettbewerb mit den Handwerkern an. Doch viele Bereiche des Handwerks sind bereits jetzt voll ausgelastet und stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Die anstehende Sanierungswelle wird das noch verschärfen.

    Daher werden Hersteller ihre Nähe zu den Endkunden durch Übernahme von Dienstleistungen des Handwerks weiter ausbauen – dort, wo es Unterstützung braucht oder keine zusätzlichen Kapazitäten aufbieten kann. Entlastet werden kann es sowohl in der Planungs- als auch in der Installations- und Betriebsphase.

  • Das Handwerk spezialisiert sich und bildet Netzwerke

    Energielösungen werden technisch immer komplexer. Die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung führt zu Bündelprodukten, die auch Photovoltaik und Speichertechnologien umfassen. Viele der deutschen Kleinbetriebe können diese Vielfalt nicht mehr alleine abdecken.

    Das Handwerk wird sich daher in Energie-, Sanitär- und weitere Spezialisten aufteilen. Um die Gesamtproduktivität zu steigern, entstehen Handwerkernetzwerke – also Zusammenschlüsse von Betrieben, die ihre unterschiedlichen Kompetenzen einbringen und Material effizienter beschaffen können.

  • Endkunden verlagern sich auf digitale Plattformen

    Wie in vielen Branchen werden auch bei dezentralen Energielösungen neuartige digitale Plattformen den gesamten Markt stark verändern. Kunden erhalten dort eine transparente Übersicht, welche Lösungen auf dem Markt erhältlich sind und ihre Bedürfnisse am besten erfüllen. Neben maximaler Transparenz werden die Plattformen auch den direkten Produktkauf ermöglichen.

  • Endkunden erhalten neuartige Services und digitale Mehrwerte

    Monitoring und Bedienung von Anlagen können ebenso über Apps laufen wie die Kontrolle eines integrierten Energiemanagements. Statt einfach nur Strom aus dem Netz zu ziehen, werden Systeme zunehmend verknüpft sein und sich untereinander austauschen. Das betrifft beispielsweise die Nutzung von E-Auto-Batterien als Zwischenspeicher für dezentral erzeugten Strom.

    Energieversorger haben die Chance, sich zu Lösungsanbietern zu entwickeln. Während Privatkunden weiterhin bevorzugt von Handwerkern bedient werden, können Versorger ihren Gewerbekunden Dienstleistungen mit Mehrwert anbieten – etwa Energiemanagement, integrierte Serviceleistungen samt Wartung oder neuartige Komplettpakete inklusive Ladesäulen für E-Autos.

Vision 2030: Was auf den Energie- und Gebäudesektor zukommt

Die Zukunft ist digitalisiert. Sie gehört Multi-Channel-Vertriebsmodellen mit starkem Online-Fokus und voll integrierten Lösungen, die strombasiert sind und auch Elektromobilität umfassen. Für künftigen Erfolg ist es entscheidend, wiederkehrende Umsätze zu generieren – durch die Nutzung von Verbrauchs- und Systemdaten sowie das Anbieten von Services und Produktbündeln auf ihrer Grundlage. Datenströme müssen zu langfristigen Verträgen führen.

In der Studie „Die Zukunft des Marktes für dezentrale Energielösungen“ haben wir acht Erfolgsfaktoren herausgearbeitet. In den Bereichen Technologie, Kultur und Geschäftsmodell zeigen sie, welche Schwerpunkte wichtig sind, um im Markt der Zukunft erfolgreich zu sein – einer Zukunft, die dekarbonisiert und digitalisiert sein wird.

EYCarbon

Die Dekarbonisierung treibt die nächste große Transformation voran, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit umgestaltet. Um die Herausforderungen der Dekarbonisierung zu meistern und die Chancen zu nutzen, haben wir EYCarbon gegründet.

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Fazit

„Dezentral” ist zentral für die Dekarbonisierung. Strenge Klimaziele im Gebäudesektor werden nur erreicht, wenn alle Marktteilnehmer innovative Lösungen weiterdenken, verstärkt einsetzen und ihre eigenen Geschäftsmodelle auf diesem Weg anpassen. Das Ökosystem für dezentrale Energielösungen wird dabei neu sortiert werden.

Über diesen Artikel

Von Philipp Rubner

Partner Assurance, Climate Change & Sustainability Services, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

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