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Deutschland/Österreich: Grenzüberschreitende Telearbeit

Lokaler Ansprechpartner

Nancy Adam

Auch nach der Pandemie sind Telearbeit und hybrides Arbeiten beliebte Modelle. Sie bergen in grenzüberschreitenden Fällen jedoch das Risiko, dass ungewollt eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat ausgelöst werden kann. Die hierzu im Zusammenhang mit der Pandemie getroffenen Sonderregelungen sind nur noch für eine Übergangszeit anwendbar. Deutschland und Österreich haben daher die Initiative ergriffen, um eine Rahmenvereinbarung zu treffen. Die Rahmenvereinbarung zwischen beiden Ländern ermöglicht einen Anteil von Telearbeit von bis zu 40 Prozent im Wohnsitzstaat, ohne dass es zur Anwendung des Sozialversicherungsrechts des Wohnsitzstaates des Mitarbeiters kommt.

EU-Leitfaden zur Telearbeit

Die Vereinbarung zwischen Deutschland und Österreich basiert auf dem Leitfaden zur Telearbeit der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 13.05.2022 (letzte Änderung vom 14.11.2022). Mit dem Leitfaden will die EU sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten die Regelungen zur Telearbeit (in den EG-Verordnungen Nr. 883/2004 und 987/2009) einheitlich auslegen. Er ist grundsätzlich seit dem 01.07.2022 anzuwenden. Doch für eine Übergangszeit, die am 30.06.2023 endet, gelten weiterhin die COVID-Sonderregelungen. Dies soll bis zu diesem Stichtag zunächst weiterhin vermeiden, dass das anzuwendende Sozialversicherungsrecht für betroffene Mitarbeiter wechselt.

Definition von Telearbeit

Der EU-Leitfaden definiert grenzüberschreitende Telearbeit wie folgt:

  • Sie wird außerhalb des Betriebsgeländes bzw. des Arbeitsplatzes, an dem sie normalerweise erledigt wird, ausgeübt.
  • Der Tätigkeitsort befindet sich in einem anderen EU-Mitgliedstaat als das Betriebsgelände bzw. der übliche Arbeitsplatz.
  • Dabei wird Informationstechnologie genutzt, um mit der Arbeitsumgebung des Arbeitgebers bzw. des Unternehmens und anderen relevanten Beteiligten („stakeholders“) bzw. Klienten verbunden zu bleiben

Klar abgegrenzt von dem Begriff der Telearbeit wird eine Tätigkeit in Räumen des Unternehmens oder aber bei Kunden.

EU-Regelungen ab dem 01.07.2023

Ab dem 01.07.2023 werden die COVID-Sonderregelungen nicht mehr einschlägig sein; damit greifen wieder die vor der Pandemie geltenden Grundsätze zur Bestimmung des anzuwendenden Sozialversicherungsrechts. Danach kann eine Beschäftigung im Wohnsitzstaat, die 25 Prozent oder mehr der Arbeitszeit ausmacht, ein Indikator dafür sein, dass das Sozialversicherungsrecht des Wohnsitzstaates anzuwenden ist.

Die Rahmenvereinbarung zwischen Deutschland und Österreich soll hier für mehr Flexibilität sorgen. Der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat die wesentlichen Bestimmungen dieser Vereinbarung veröffentlicht (Stand 01.12.2022). Der GKV Spitzenverband Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) hat bislang keine Veröffentlichung der neuen Regelungen vorgenommen.

Voraussetzungen für die Anwendung der Rahmenvereinbarung

Die Betriebsstätte, in der die Tätigkeit üblicherweise ausgeübt wird, muss in Deutschland oder Österreich liegen und der Wohnort mit Telearbeit im anderen Vertragsstaat, damit die Vereinbarung zwischen Deutschland und Österreich anzuwenden ist. Sie gilt zudem nur, wenn Telearbeit im Sinne des EU-Leitfadens betroffen ist, also für Beschäftigte mit einem Arbeitsverhältnis, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten und dabei Informationstechnologie einsetzen.

Wenn Beschäftigte ihre Tätigkeit zu mehr als 40 Prozent in Telearbeit ausüben sollen, ohne dass ein Wechsel in das Sozialversicherungssystem des Wohnsitzstaates eintritt, soll ein Antrag auf Ausnahmevereinbarung nach Art. 16 der EG-Verordnung Nr. 883/2004 zu stellen sein.

Zeitliche Anwendung

Die Rahmenvereinbarung soll zum 01.01.2023 in Kraft treten. Da die COVID-Sonderregelungen jedoch übergangsweise bis zum 30.06.2023 unverändert anwendbar sind (statt bis zum 31.12.2022 wie ursprünglich vorgesehen), gelten diese vorrangig weiter. Die hier neu getroffene Rahmenvereinbarung greift daher frühestens ab dem 01.07.2023, selbst wenn ein Antrag auch einen Zeitraum zwischen dem 01.01. und dem 30.06.2023 betrifft.

Die Anwendung der Rahmenvereinbarung kann für höchstens zwei Jahre vereinbart werden. Es soll möglich sein, eine Verlängerung zu beantragen. Derzeit liegen noch keine Informationen darüber vor, unter welchen Voraussetzungen und für welchen Zeitraum die Verlängerung der Rahmenvereinbarung ggf. beantragt werden kann und ob möglicherweise ein Maximalzeitraum zu beachten ist.

Antrag

Arbeitgeber und Beschäftigte können den Antrag auf Anwendung der Vereinbarung bei der zuständigen Stelle des Staates stellen, dessen Rechtsvorschriften gelten sollen. Dieses Vorgehen im Rahmen der Beantragung ist gerade in solchen Telearbeitssituationen gänzlich anders als bei der Beantragung von A1-Bescheinigungen für sogenannte Mehrfachbeschäftigte („multi-state workers“). Diese A1-Bescheinigungen sind wie bisher in dem Staat zu beantragen, in dem der Mitarbeiter seinen Wohnsitz hat.

Für Mitarbeitende, die in Deutschland leben und in Deutschland Telearbeit für einen österreichischen Arbeitgeber nachgehen, ist der Adressat für einen Antrag zur Anwendung des österreichischen Sozialversicherungsrechts der

Dachverband der Sozialversicherungen
Abteilung für europäische und internationale Sozialversicherung
Kundmanngasse 21
1030 Wien

Die österreichische Stelle wird in Kürze ein Antragsformular zur Verfügung stellen. Wenn die Zustimmung vorliegt, stellt der zuständige Krankenversicherungsträger eine Bescheinigung A1 aus.

Für in Österreich lebende Angestellte eines deutschen Unternehmens wäre die Beantragung in Deutschland vorzunehmen. Es ist derzeit davon auszugehen, dass entsprechende Anträge an die DVKA zu richten sind. 

Handlungsempfehlung

Europäischen Arbeitgebern ist generell anzuraten, sich auf das Auslaufen der COVID-Sonderregelungen zum 01.07.2023 vorzubereiten. Außerdem empfiehlt es sich, die unternehmensinternen Regelungen zur Telearbeit zu prüfen und ggf. anzupassen. Schließlich sollten deutsche Arbeitgeber, die Grenzpendler aus Österreich beschäftigen und diesen Telearbeit ermöglichen (möchten), klären, ob ein Antrag auf Anwendung der Vereinbarung zwischen Deutschland und Österreich möglich und sinnvoll ist.

Es ist davon auszugehen, dass ähnliche Regelungen auch für weitere Länder und Länderkombinationen erzielt werden. Möglicherweise strebt die Europäische Kommission eine einheitliche Lösung für alle EU- und EWR-Mitgliedstaaten an. Arbeitgeber sollten insofern die rechtlichen Geschehnisse in den kommenden Monaten beobachten, um so die konkreten Handlungsnotwendigkeiten für die betroffenen Beschäftigten zu identifizieren. Insbesondere können Unternehmen von der neuen Regelung profitieren, da sie so eine mögliche Sozialversicherungspflicht im anderen Staat vermeiden.

Kontaktpersonen: Thorsten Koch, Nancy Adam, Jutta Lingg