„Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Unternehmen in Österreich akut unter den herausfordernden wirtschaftlichen Bedingungen leiden. Dennoch sind viele Unternehmen nach wie vor robust und anpassungsfähig,“ erklärt Erich Lehner, Partner und Verantwortlicher für den Mittelstand bei EY Österreich. „Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, den Fokus auf Innovation und Effizienz sowie kurzfristig auf Working Capital Management und die Sicherstellung ausreichender Liquidität zu legen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Unsere Unternehmen haben in der Vergangenheit schon oft ihre Resilienz unter Beweis gestellt und werden auch diese Phase meistern“
Gesundheit und Tourismus positiv, Aufschwung im sozialen Bereich
Die Geschäftslage zeigt im Branchenvergleich weiterhin deutliche Unterschiede: Im Gesundheitssektor sind aktuell 61 Prozent der befragten Unternehmen uneingeschränkt zufrieden mit ihrer Geschäftslage. Auch im Tourismus bewertet über die Hälfte der Betriebe (54 %) ihre Lage als positiv, gefolgt von den Bereichen Soziales, Wissenschaft und Bildung mit 51 Prozent. Am wenigsten zufrieden sind Unternehmen im Bereich Handel und Konsumgüter, wo lediglich 24 Prozent ihre Geschäftslage als gut einschätzen. Auffällig ist auch, dass kleinere Betriebe mit Jahresumsätzen von weniger als 10 Millionen Euro ihre Geschäftslage derzeit häufiger positiv bewerten als größere.
Die Einschätzungen zur Geschäftslage in den kommenden Monaten variieren leicht zwischen den Branchen: Im Tourismussektor erwarten 27 Prozent der befragten Unternehmen eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, und auch in der Industrie gehen 23 Prozent von einer positiven Entwicklung aus. Besonders bemerkenswert ist die Aufholjagd im Bereich Soziales, Wissenschaft und Bildung: Hier erwarten inzwischen 19 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als nur neun Prozent optimistisch waren.
Zurückhaltung bei Investitionen und Personal
Trotz leichter Erholungstendenzen in den Konjunkturerwartungen zeigt sich, dass viele Unternehmen weiterhin vorsichtig agieren und größere Investitionen scheuen. Lediglich 13 Prozent der befragten Unternehmen planen, ihre Gesamtinvestitionen im kommenden Halbjahr zu erhöhen. Gleichzeitig geben 16 Prozent an, weniger investieren zu wollen als zuletzt. Damit ist für die erste Jahreshälfte 2025 nur mit geringen Investitionsimpulsen zu rechnen. Zum zweiten Mal seit Jahresbeginn 2023 zeigt die Investitionsdynamik damit einen negativen Trend, was darauf hindeutet, dass die Investitionen in österreichischen Unternehmen in den kommenden sechs Monaten eher rückläufig verlaufen werden. Eine derart niedrige Investitionsbereitschaft war zuletzt in der Zeit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zu beobachten.
Auch bei den Beschäftigungsplänen zeigt sich ein differenziertes Bild: 23 Prozent der Betriebe in Österreich planen, in den kommenden Monaten zusätzliches Personal einzustellen – ein leichter Anstieg gegenüber den beiden vorherigen Befragungen, bei denen jeweils 21 Prozent eine Aufstockung des Personals vorgesehen hatten. Der Anteil der Unternehmen, die Stellen abbauen wollen, bleibt jedoch mit 18 Prozent auf dem hohen Niveau vom Jahresbeginn 2024. Auch der Blick ins neue Jahr ist verhalten: Die Beschäftigungsdynamik dürfte im ersten Halbjahr 2025 deutlich niedriger ausfallen als in den meisten Jahren seit 2010. Unterm Strich planen lediglich fünf Prozent der Betriebe, zusätzliche Stellen zu schaffen.
Fachkräftemangel bleibt größte Wachstumsbremse für Österreichs Unternehmen
Wie in den Vorjahren bleibt der Fachkräftemangel das größte Problem der heimischen Unternehmen. Zwei von drei geben an, dass der Mangel an qualifiziertem Personal aktuell die größte Gefahr für die Entwicklung des eigenen Betriebs darstellt (67 %). Danach folgen eher akute Herausforderungen wie die drohende Rezession (65 %), die hohe Inflation (62 %), die hohen Energiepreise (61 %) sowie die hohen bzw. volatilen Rohstoffpreise (56 %).
Der Kampf um qualifizierte Fachkräfte bleibt intensiv: 71 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass es ihnen derzeit „sehr“ oder „eher“ schwer fällt, neues und ausreichend qualifiziertes Personal zu finden – allerdings ist dies ein Rückgang gegenüber Jahresbeginn, als dieser Anteil noch bei 82 Prozent lag. Besonders erfreulich ist, dass der Anteil der Betriebe, die die Rekrutierung geeigneten Fachpersonals als „sehr schwer“ empfinden, sich nahezu halbiert hat – von 47 auf aktuell 25 Prozent. Dennoch bleibt die Situation angespannt, denn nur 29 Prozent der Betriebe bezeichnen die Fachkräfterekrutierung insgesamt als (eher) leicht.
Als Hauptursache für den Fachkräftemangel sehen die befragten Unternehmen insbesondere die mangelnde Bereitschaft unter Bewerber:innen und Arbeitskräften, in Vollzeit zu arbeiten (61 %). Der demografische Wandel und die Alterung der Bevölkerung stellen aus Sicht der Betriebe mit 39 Prozent den zweitwichtigsten Faktor dar. Ebenso wird die fehlende Ausbildung und Qualifikation der Bewerber:innen als wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel genannt (36 %). Das Recruiting fällt vor allem dem Immobilien- und Baugewerbe (36 %), dem Tourismussektor (30 %) sowie der Industrie (29 %) sehr schwer.
„Es gibt kaum einen Sektor des österreichischen Arbeitsmarkts, der momentan nicht in Personalnot ist. Die Problematik hat sich in den letzten Jahren immer mehr verschärft, über ein Drittel der befragten Unternehmen erleiden durch fehlende Fachkräfte auch Umsatzeinbußen. Das bremst die Wirtschaftsdynamik ordentlich ab“, so Erich Lehner.
Unternehmen unzufrieden: Kritik an nationaler Standortpolitik wächst
Die nationale Standortpolitik stößt weiterhin auf wenig Zustimmung bei österreichischen Unternehmen: Nur 13 Prozent bewerten sie positiv, während 39 Prozent eine kritische Einschätzung abgeben. Besonders ausgeprägt ist die Unzufriedenheit im Sektor Transport, Verkehr und Energie, wo sich 55 Prozent der Befragten unzufrieden zeigen. Auch in der Industrie und im Tourismus ist die Skepsis gegenüber der aktuellen Standortpolitik ausgeprägt – 45 Prozent der Industriebetriebe und 41 Prozent der Tourismusunternehmen äußern sich kritisch.
Bundesländer im Vergleich: Geschäftslage in Tirol am besten, in Niederösterreich am schlechtesten
Die aktuelle Geschäftslage wird in Tirol von knapp zwei Drittel (63 %) der Unternehmen als gut eingeschätzt, gefolgt von Salzburg (60 %). Das Schlusslicht bildet Niederösterreich – hier bewerten nur 25 Prozent die Geschäftslage positiv. Der Blick in die Zukunft gestaltet sich bei Wiener Unternehmen am besten: 34 Prozent rechnen damit, dass sich die eigene Geschäftslage verbessern wird, gefolgt von Kärnten (26 %) und Oberösterreich (23 %) – hier liegt Salzburg mit 14 Prozent auf dem letzten Platz.
In den kommenden sechs Monaten wollen Unternehmen aus Wien (16 %) und der Steiermark sowie Salzburg (je 15 %) am stärksten investieren. Oberösterreichische Unternehmen sind dahingehend am zurückhaltendsten – die Investitionsbereitschaft liegt hier bei nur acht Prozent. Auch in Tirol ist diese mit zehn Prozent nur wenig höher. In Oberösterreich und Tirol sowie dem Burgenland schaut es hinsichtlich der Investitionsdynamik in den kommenden Monaten alles andere als rosig aus: In allen drei Bundesländern könnten sich die Investitionen in den nächsten Monaten insgesamt rückläufig entwickeln. In Oberösterreich planen mehr Unternehmen ihre Investitionen zu reduzieren (22 %) als zu steigern (8 %), in Tirol und dem Burgenland ebenfalls (reduzieren: 19 % bzw. 22 %; steigern: 10 % bzw. 12 %).