View of downtown Geneva and the iconic 'Jet d'Eau' fountain, a huge water jet situated in Geneva.

Kanton Basel-Stadt und Genf: Einblick in die kantonale Mietregulierung


Schweizer Mietrecht: Freie Mietzinsvereinbarung mit Missbrauchsschutz, während Basel und Genf auf eine strenge lokale Regulierung setzen.


Überblick

  • Das schweizerische Mietrecht erlaubt grundsätzlich die freie Festlegung von Mieten, unter der Bedingung, dass eine Maximalrendite nicht überschritten wird.
  • Die Kantone Basel-Stadt und Genf setzen kantonale Mietregulierungen ein, um Mieter zu schützen und die Mietpreisentwicklung zu stabilisieren.
  • Der Genfer Mieterschutz LDTR zeigt komplexe Wirkungen: Schutz der Bestandesmieten, aber hohe Angebotsmieten und längere Mietdauern.

Das schweizerische Mietrecht ist traditionell auf Bundesebene (Art. 253 OR) festgehalten und sieht vor, dass Mieten grundsätzlich frei zwischen Vermietern und Mietern zu vereinbaren sind. Zur Vermeidung von Missbräuchen hat das Bundesgericht jedoch eine Reihe von Einschränkungen vorgenommen. In einem Urteil vom 26. Oktober 2020 wurde festgehalten, dass die Nettorendite den hypothekarischen Referenzzinssatz von 2% oder weniger, um nur maximal 200 Basispunkte übersteigen darf (Bundesgerichtsentscheid 4A_554/2019). Aufgrund der steigenden Baukosten und des Bevölkerungswachstums, das in urbanen Zentren zu steigenden Mieten führt, erhöht sich der politische Druck insbesondere auf die städtischen Kantone, strengere Mietzinsregulatorik einzuführen. Die stabilisierenden Auswirkungen einer solchen Gesetzgebung auf die Mietpreise sind insbesondere unter Investoren umstritten und gehen häufig mit unerwünschten Nebeneffekten einher (Fussnote 1).

Während in Zürich noch über politische Vorstösse diskutiert wird, hat der Kanton Basel-Stadt bereits mit dem Wohnraumfördergesetz 2013 (WRFG, SG BS 861.500) und der Verordnung über den Schutz von Wohnraum 2022 (WRSchV, SG BS 861.540) eine strengere Mietregulierung auf kantonaler Ebene eingeführt. Für Investoren und Mieter sind die längerfristigen Folgen aufgrund fehlender Statistiken aktuell schwer abzuschätzen. Ein Blick auf den Kanton Genf könnte jedoch aufschlussreich sein, denn dort gilt seit Jahrzehnten eines der strengsten kantonalen Mietgesetze der Schweiz: Das Loi sur les démolitions, transformations et rénovations de maisons d’habitation (LDTR, rsGE L 5 20).

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Kapitel 1

Zwei Gesetze mit unterschiedlicher Handhabung

Genf setzt seit 1983 (LDTR) auf Mieterschutz und gezielte Renovierungsförderung. Basel folgt mit eigenen Gesetzen.

Bereits im Jahr 1983 und in seiner heutigen Form (1996) wurde das LDTR im Kanton Genf mit dem Hauptziel eingeführt, das Wohngebiet (Habitat) und die Lebensbedingungen sowie den heutigen Charakter der Stadt Genf zu erhalten. Zudem sollen Mieter geschützt und Eigentümer durch Renovierungszuschüsse wirtschaftlich unterstützt werden. Dazu wurden 3- bzw. 5-jährige Mietpreiskontrollen für Wohnungen, welche renoviert, abgerissen oder neugebaut wurden und somit den einfachen Gebäudeunterhalt übersteigen, eingeführt. Die Kosten für diese Arbeiten dürfen nur teilweise und bis zu einer gesetzlich festgelegten Maximalmiete übertragen werden, die aktuell bei CHF 3'528 pro Zimmer per annum liegt. Dieser Höchstbetrag unterliegt alle zwei Jahre einer Anpassung, welche auf der Grundlage des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der kantonalen Steuerzahler vorgenommen wird. Übersteigt die vorherige Miete einer renovierten beziehungsweise umgebauten Wohnung den Höchstmietzins, wird der Mietzins für die Dauer der Mietkontrolle auf diesem Niveau festgesetzt. Zudem untersagt das Gesetz die Umwandlung von Wohnflächen in Gewerbeflächen und macht den Verkauf von zuvor vermieteten Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig.

Das Basler WRFG und die WRSchV sehen vor, bestehenden bezahlbaren sowie moderat bepreisten (Miet-) Wohnraum zu schützen und zu erhalten, insbesondere in Zeiten von kantonaler Wohnungsknappheit (Leerstand unter 1.5%). Das Gesetz verbietet Ersatzneubauten, welche nicht mindestens 20-40% mehr Wohnraum kreieren, was in der Praxis oftmals einem Verbot gleichkommt. Renovations- und Transformationsvorhaben unterliegen in Zeiten von Wohnungsknappheit einer Genehmigungspflicht. Darüber wird entweder durch ein einfaches, vereinfachtes oder umfassendes Bewilligungsverfahren entschieden. Während das einfache Verfahren keine Mietzinserhöhung vorsieht, können im vereinfachten Verfahren bis zu 50% der wertsteigernden Investitionskosten auf die Miete umgewälzt werden, sofern die Gesamtmieterhöhung bei 2-Zimmerwohnungen nicht 80 CHF, bei 3-Zimmerwohnungen nicht 120 CHF und bei 4-Zimmerwohnungen nicht CHF 160 CHF pro Monat übersteigt. Die zuständige Wohnschutzkommission hat einen Ermessensspielraum von +/- 20%. Bei grösseren Mietzinsanhebungen werden umfassende Verfahren eingeleitet, wobei die festgelegte Miete für 5 Jahre gültig ist.

Die Gegenüberstellung vom LDTR mit dem WRFG (siehe Tabelle 1) zeigt viele Gemeinsamkeiten. Es ist jedoch festzustellen, dass der Kanton Basel-Stadt aus einigen Erfahrungen der Stadt Genf gelernt hat. So wird bei Umbauten beispielsweise nicht von einem fixen Mietendeckel anhand der Zimmerzahl ausgegangen, sondern im vereinfachten Verfahren eine teilweise Überwälzung der Renovationskosten, unabhängig der vorgängigen Miete, ermöglicht. Des Weiteren kommt die Basler Mietkontrolle nur in Zeiten eines kantonalen Leerstandes unter 1.5% zur Anwendung, im Gegensatz zur Stadt Genf, die in jedem Fall entsprechende Kontrollen vorsieht. Schliesslich hat die Stadt Genf durch die Fixierung einer Mietobergrenze pro Zimmer pro Jahr die Vermieter dazu angeregt, möglichst viele und daher kleine Zimmer pro Wohnung zu schaffen – ein Umstand, der oft nicht im Interesse der Mieter liegt und im WRFG seitens der Stadt Basel korrigiert wurde.

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Kapitel 2

Was hat Genf mit dem LDTR erreicht?

LDTR-Effekte umstritten: Hohe Mietpreisdisparität, aber keine Renovierungsrückstände.

Die Auswirkungen des LDTRs sind kontrovers diskutiert und es ist oftmals schwierig, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Gesetz und allfälligen Auswirkungen herzustellen. Es gibt jedoch einige Ansatzpunkte, bei denen sich die Stadt Genf von vergleichbaren Schweizer Städten ohne kantonale Mietregulation unterscheidet.

In einem Vergleich von Angebots- und Bestandesmieten (Fussnote 2) aus dem Jahre 2023 (Fussnote 3) wurde aufgezeigt, dass Genf mit 33.5% im Vergleich zu Zürich (18.1%), Basel (6.8%) oder Lausanne (13.5%) eine deutlich höhere Mietpreisdisparität aufweist. Während Bestandesmieten «nur» 279 CHF/m2a ausweisen, ist die durchschnittliche Angebotsmiete in Genf mit 372 CHF/m2a die teuerste der fünf grössten Schweizer Städte. Eine direkte Konsequenz dieser bedeutenden Differenz spiegelt sich in der verlängerten durchschnittlichen Mietdauer wider, die in Genf bei 13.7 Jahren liegt. Im Vergleich dazu weisen Zürich und Basel mit einer durchschnittlichen Mietdauer von 8.8 bzw. 8.7 Jahren einen deutlich niedrigeren Wert auf. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das LDTR bei Bestandesmieten zu greifen scheint, allerdings auf Kosten der Angebotsmieten, die überdurchschnittlich hoch sind, was dazu führt, dass Mieter länger in ihren Wohnungen bleiben, als sie es eigentlich müssten (Lock-in-Effekt).

Ein häufig genannter Nebeneffekt von Mietregulierungen ist die verringerte Renovierungstätigkeit der Eigentümer. Dies liegt daran, dass sie aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht oder nur teilweise in der Lage sind, die Kosten für Sanierungen auf die Mieter umzulegen, was ihre ökonomischen Interessen mindert. Eine Analyse (Fussnote 4) basierend auf der grössten Bauobjektdatenbank der Schweiz scheint diesen Trend in Genf jedoch nicht unbedingt zu bestätigen. Aufgrund der Renovationsprojekte von 2010-2022 stellt Genf keinen signifikanten Rückstand der Renovierungstätigkeit im Vergleich zu anderen Schweizer Städten fest, jedoch eine andere Herangehensweise (Tabelle 2). Um Mietbeschränkungen für ganze Gebäude zu umgehen, scheinen sich Vermieter für Renovierungen von Wohnung zu Wohnung zu entscheiden, was zu kleineren (Fussnote 5) und zahlreicheren Projekten führt als in vergleichbaren Städten. Dieser alternative Renovierungsansatz ist aus der Perspektive des Eigentümers oft weniger effizient und rentabel als eine Totalsanierung oder ein Ersatzneubau, ermöglicht jedoch eine schrittweise Erneuerung des Gebäudebestands im Einklang mit den geltenden Gesetzen. Es ist dabei anzunehmen, dass die Mieten nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist auf das Marktniveau angehoben werden.

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Kapitel 3

Szenarien für Basel-Stadt

Basel könnte den Genfer Weg einschlagen: Mietmarktprognosen zeigen mögliche Szenarien auf.

Angesichts der Ähnlichkeiten zwischen dem LDTR und dem WRFG sowie den geographischen und demographischen Gemeinsamkeiten könnte der Kanton Basel-Stadt zukünftig ähnliche Entwicklungen wie Genf erleben. Allerdings hängen folgende Szenarien von verschiedenen marktbezogenen und politischen Faktoren ab und sollten daher unter Berücksichtigung dieser Faktoren betrachtet werden:

  • Die Diskrepanz zwischen Bestands- und Angebotsmieten wird grösser und benachteiligt Mietwohnungssuchende. 
  • Die durchschnittliche Mietdauer erhöht sich und Mieter neigen dazu, länger als erforderlich in ihren Wohnungen zu bleiben (z.B. Eltern nach Auszug der Kinder).
  • Der Kanton Basel-Stadt wird aufgrund der Ungewissheit der Anwendung und fehlender Rechtsprechung in den kommenden Jahren weiterhin eine geringe Investitions- und Renovierungsaktivität aufzeigen. Investoren scheinen im momentanen Marktumfeld grundsätzlich konservativ zu agieren.
  • Aufgrund der praktischen Unmöglichkeit von Ersatzneubauten und des hohen Risikos von Totalsanierungen werden sich die Eigentümer, ähnlich wie in Genf, wahrscheinlich für Sanierungen auf Wohnungsebene entscheiden. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig zu geringeren Gesamtinvestitionen in den Gebäudebestand führen, wie das Beispiel der Stadt Genf in den letzten 15 Jahren gezeigt hat.
  • Anstatt sich auf langwierige Verfahren einzulassen, werden Eigentümer voraussichtlich vereinfachte Verfahren wählen, die nur geringfügige Mieterhöhungen nach der Renovierung zulassen. Ähnlich wie im Kanton Genf besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Mieten nach Ablauf der fünfjährigen Kontrollperiode drastisch erhöht werden können.

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Kapitel 4

Fazit

Profitable Sanierungen in Basel: Genfer Erfolgsrezepte trotz Mietpreisbremse nutzen.

Investoren im Kanton Basel-Stadt wird geraten, vor der Baueingabe verschiedene Sanierungsszenarien sorgfältig abzuwägen, um im Rahmen des geltenden Rechts optimal zu agieren. Das Beispiel Genf zeigt, wie trotz verschärftem kantonalen Mietrecht attraktive Renditen erzielt und gleichzeitig der Bestand gezielt erneuert werden kann.

Fussnote:

Fussnote 1: Credit Suisse, Immobilienmarkt 2014 : Strukturen und Perspektiven.

Fussnote 2: Bestandesmieten: Wohnungen in bestehenden Mietverträgen; Angebotsmieten: Wohnungen bei Mieterwechsel

Fussnote 3: Wuest Partner, Immo-Monitoring 2023|2

Fussnote 4: EY/HSLU

Fussnote 5: Projekte wurden gem. Studie in kleine (CHF 0-0.5 Mio.), mittlere (CHF 0.5-1 Mio), grosse (CHF 1-5 Mio.) und sehr grosse (mehr als CHF 5 Mio.) eingeteilt

Fazit

Investoren in Basel-Stadt sollten im Vorfeld von Bauprojekten verschiedene Renovierungs- und Sanierungsoptionen prüfen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und zielgerecht zu investieren. Genf ist ein Beispiel dafür, dass auch mit einer strengen Mietzinsregulierung gute Renditen möglich sind und gleichzeitig der Wohnungsbestand angemessen modernisiert wird.

Danksagung:

Wir danken Simon Schmid für seine Beiträge zu diesem Artikel.


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