Insbesondere in forschungs- und produktionsintensiven Branchen macht sich die regionale Nähe zu den einzelnen Akteuren in Form von Clustern bemerkbar. Dies bedeutet unter anderem, auf einen Pool von potenziellen Fachkräften in der Region zugreifen zu können und von der Nähe zu Grundlagenforschungseinrichtungen, branchennahen KMU ‚sowie internationalen Organisationen zu profitieren. Wenn sich ein potenzieller Ansiedlungskandidat für die Schweiz interessiert, welche Standortfaktoren sind für Sie entscheidend?
AW: Ein Kriterium ist der Standort selbst. Generell geht es um die Nähe zu den Kunden und die infrastrukturelle Erreichbarkeit für die Mitarbeitenden. Einerseits wollen die Mitarbeitenden in einem lebendigen Umfeld mit allen Annehmlichkeiten arbeiten. Auf der anderen Seite wünschen sie sich ein qualitativ hochwertiges Gebäude, das Gesundheits-, Nachhaltigkeits- und Umweltstandards erfüllt. Für den Mieter sind in erster Linie die Mietkonditionen von Bedeutung. Für jeden Mieter, unabhängig von Branche oder Land, ist eine Kombination dieser Faktoren ausschlaggebend für die Wahl des richtigen Standorts. Für Labor- und F&E-Einrichtungen kann die Nähe zu einem Pool von Talenten, die für zukünftige Produktentwicklungen und Innovationen benötigt werden, noch wichtiger sein. Diese Investitionen an den richtigen Standorten und der Zugang zu den richtigen Fachkräften, aber auch die Investitionen des Umfelds am Standort (staatliche Subventionen, Unterstützung durch die Kommune, Ansiedlung von Versorgungsunternehmen usw.) bilden die Grundlage für zukünftige Einkommensströme und Produktpipelines.
Verglichen mit klassischen Büroimmobilien sind die Betriebskosten von Unternehmen, die in den Bereichen Fertigung, Produktion und F&E tätig sind, deutlich höher. Ein deutlicher Anstieg der Betriebskosten ist angesichts der Energiekrise durch den Krieg in der Ukraine weiterhin zu erwarten. Wie ist der Umgang damit im Rahmen der Portfolioplanung und wie kann die Energieversorgung an produktionsintensiven Standorten sichergestellt werden?
AW: In der Regel liegt die Energieversorgung nicht im Verantwortungsbereich des Real Estate und Facility Teams. Dies ist Aufgabe des Einkaufs. Das Real Estate und Facility Team sensibilisiert jedoch intern für den sparsamen Umgang mit Energie und die Umsetzung nachhaltiger Praktiken im eigenen Immobilienbestand. Auf diese Weise trägt dieses Team sowohl zum Schutz als auch zur Sicherung der Energieversorgung bei. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Produktionsanlagen, da diese am meisten Energie verbrauchen. Für den Betrieb der Maschinen ist eine unterbrechungsfreie Versorgung mit Strom Voraussetzung.
Ich stelle fest, dass sich immer mehr Mieter für lokale Energieversorgungslösungen interessieren. Dabei handelt es sich um netzunabhängige Solar- und Windkraftanlagen, die Energie direkt in die Produktions- und Fertigungsanlagen einspeisen. Mittel- bis langfristig werden in Märkten, in denen die Energie dereguliert ist, auch Verträge zur Absicherung von Energiekosten zum Schutz vor hohen Kostensteigerungen üblich sein (Energy Heding Contracts). Zur Sicherung der Energieversorgung und der Geschäftskontinuität betreiben einige Standorte eigene Energieerzeugungsanlagen.
Wie wird das Benchmarking der Betriebskosten durchgeführt? Sind Unterschiede in der Methodik zu erkennen? Basiert das Benchmarking auf Daten der eigenen Standorte oder auf externen Benchmarks?
AW: In den meisten Corporates werden die Occupancy Costs einschliesslich des Energieverbrauchs über das gesamte Portfolio gemessen. Externes Benchmarking, d.h. der Vergleich des eigenen Standortes mit Branchendurchschnittswerten, wie sie z.B. von MSCI entwickelt wurden, wird jedoch von vielen Corporates noch nicht durchgeführt. Bisher steht das interne Benchmarking im Vordergrund. Dabei wird eine Region mit einer anderen oder ein Gebäude mit einem anderen verglichen. Dies ist zwar hilfreich, aber weniger aussagekräftig als ein Vergleich mit der Branche oder dem Durchschnitt. Im Vergleich zu den Occupancy Costs ist das Benchmarking daher weniger konsistent.
Werden CRE-Portfolios eher durch ein internes oder ein externes Facility Management-Team verwaltet und gesteuert?
AW: Der aktuelle Trend bezieht sich eher auf die Art der Immobilie als auf die Branche. Bei der Erbringung von Dienstleistungen für F&E- und Produktionsanlagen wird häufig eine Kombination aus internen und externen Spezialisten eingesetzt. Dies kann in Form einer Reihe von Einzelverträgen, eines gebündelten Vertragspakets oder eines kompletten IFM-Modells erfolgen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass produktions- und fertigungsbezogene Tätigkeiten häufig von internen Spezialisten durchgeführt werden. Im Allgemeinen bestehen Vorbehalte gegenüber der Auslagerung von GMP-bezogenen Tätigkeiten, da dies die Aufgabe der Kontrolle über diese Produktionsbereiche bedeutet. Dennoch wird dies an einigen Standorten praktiziert.
Weitergehende Beschaffungsmodelle wie IFM oder Bündelverträge werden auch wegen des im Rahmen dieser Facility-Management-Verträge erforderlichen Anteils an hard services und zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität bevorzugt. Im Vergleich dazu setzen kleinere Mieter aufgrund eines stärkeren Fokus auf soft services und einer kleineren bzw. fragmentierteren Präsenz nach wie vor mehr auf interne Mitarbeiter oder mehrere einzelne ausgelagerte Dienstleistungsverträge.
Je nach Region und Standort nutzen die Mieter unterschiedliche Modelle zur Erbringung von Facility-Management-Dienstleistungen. Der allgemeine Trend geht in Richtung Zusammenarbeit und Kooperation mit externen IFM-Lösungsanbietern. So werden die meisten hard- und soft services von einem Unternehmen pro Standort oder Region, manchmal auch weltweit, erbracht. In diesem Modell gibt es immer noch interne Mitarbeiter und Ressourcen. Diese Experten konzentrieren sich jedoch mehr auf das Vertragsmanagement sowie das Vendor- und Supplier-Management als auf die Erbringung der einzelnen Dienstleistungen.
"Flexibilität als Voraussetzung für hoch operative Immobilien. Das bedeutet: Betreiberimmobilien sollten über Entwicklungs- und Erweiterungspotenzial verfügen, um bei einer Expansion kostspielige Umzüge zu vermeiden und den Standort für sich entwickeln zu können. Sind diese Überlegungen bei der Standortwahl relevant bzw. wird bei der Wahl eines neuen Standortes Flexibilität hinsichtlich des Erweiterungspotenzials gefordert?
AW: Flexibilität ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Immobilienportfolio. Immobilienentscheidungen binden die Organisation über einen langen Zeitraum an relativ hohe Kosten. Die entsprechenden Rahmenbedingungen lassen sich nur bedingt ändern. Flexibilität ist daher unerlässlich, um sich einerseits an externe Veränderungen oder andererseits an sich ändernde Anforderungen der Organisation - wie dies bei COVID-19 (Home-Office) der Fall war - mit einem Minimum an Aufwand bzw. Kosten anpassen zu können.
Im Idealfall bedeutet dies: Das räumliche Layout wird zeitnah angepasst, sobald entsprechende Rückmeldungen der Nutzer vorliegen.
Um Desk-Sharing und tätigkeitsbezogenes Arbeiten zu ermöglichen, müssen flexiblere und anpassungsfähigere Räumlichkeiten geschaffen werden. Gleichzeitig sollte die Möglichkeit bestehen, zu messen, wie ausgelastet diese sind. In der Post-COVID-Ära ist ein wachsendes Interesse an der Arbeit im Home-Office und an der Arbeit an externen Standorten zu beobachten. Ein langfristig tragfähiges Modell ist dies für viele Unternehmen jedoch nicht.
Meines Erachtens ist ein gut verhandelter traditioneller Büromietvertrag mit einer gewissen Flexibilität durch Break-Options, Flächenverkleinerungen/-vergrösserungen während der Vertragslaufzeit etc. für die meisten Nutzer ausreichend flexibel.
Wachstum an sich ist nicht gleichbedeutend mit Volatilität, Flexibilität und komparativem Vorteil. Wie werden diese Aspekte in einem Immobilienportfolio einer B- oder C-Industrie gehandhabt?
Für jedes erfolgreiche Immobilienportfolio, unabhängig von der Grösse des Unternehmens, ist ein gewisses Mass an Flexibilität unerlässlich. Ein höherer Bedarf an Flexibilität wird jedoch in B- und C-Branchen gesehen. Der Grund dafür ist, dass diese Branchen in höherem Masse von externen Faktoren abhängig sind. Das bedeutet, dass weniger Kapital zur Verfügung steht und möglicherweise grössere Einkommensströme anfallen.
Am Transaktionsmarkt ist ein Trend erkennbar, dass Unternehmen - insbesondere aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie - Kapital aus dem Anlagevermögen abziehen wollen, um das freiwerdende Kapital in ihr Kerngeschäft reinvestieren. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
AW: Die meisten Corporates besitzen nur noch wenige Immobilien. Die meisten von ihnen haben bereits das verkauft, was sie verkaufen wollten. Dies ist kein neues Konzept, vor allem dann nicht, wenn es sich um Büroimmobilien handelt. Der Besitz von Büroimmobilien ist nicht sehr üblich, es sei denn, sie befinden sich auf einem Campus, der in erster Linie für die Produktion und damit verbundene Aktivitäten bestimmt ist.
Die meisten Unternehmen sind bestrebt, die vorhandenen Flächen effizienter zu nutzen ("space density"). Dies gilt nicht, wenn Verkäufe oder Verbriefungen Teil der Geschäftsstrategie sind. Mit anderen Worten: Für jeden Quadratmeter, den ein Unternehmen nicht belegt, müssen keine CapEx oder OpEx aufgewendet werden. Je schlanker eine Organisation, desto geringer der CapEx-Einfluss und desto kleiner der CO2-Fussabdruck. Um die Gestaltung effizienter räumlicher Fit-Outs zu fördern, verwenden die meisten Organisationen sogenannte "Fit-Out CapEx KPIs". Der Grund dafür ist, dass leicht anpassbare Räumlichkeiten zu geringeren Änderungskosten führen, wenn sich die Anforderungen der Nutzer ändern.
Jedes Unternehmen ist anders. Bei einigen handelt es sich um grosse internationale Organisationen, bei anderen um kleine Unternehmen, die auf lokaler Ebene tätig sind. Manche sind sehr CapEx bezogen, andere sehr Cashflow bezogen. Sehen Sie spezifische Trends für Unternehmen, die sehr CapEx bezogen agieren?
AW: Bei Corporates mit einem sehr starken CapEx Fokus besteht ein erhöhtes Interesse an Coworking. Das heisst, flexible Büros, bei denen keine CapEx bezogen auf Fläche anfallen. Stattdessen werden die abgeschriebenen Fit-Out Kosten in Miete umgewandelt. Somit handelt es sich bei allen immobilienbezogenen Kosten um OpEx. Dies kann sowohl aus finanziellen als auch aus Gründen der Flexibilität geschehen. Im Allgemeinen ist das nicht die Norm. Aber ich denke, es gibt einen Wunsch nach Effizienz bei der Kapitalallokation. Vor allem post-COVID konzentrieren sich die Corporates vermehrt auf die Qualität ihres Immobilienportfolios. Das heisst aber nicht, dass ein höherer Einsatz von Kapital zu einer besseren Qualität führt. Es geht jetzt um die Immobilie als Ort mit Aufenthaltsqualität. Nicht mehr die Immobilie als Kostenverursacher steht im Vordergrund. Das bedeutet, dass das Portfolio über das Potenzial verfügt, die Produktivität der Mitarbeiter zu steigern, Nachhaltigkeitsmassnahmen zum Wohle der Allgemeinheit umzusetzen oder die Unternehmenskultur zu verbessern.