3 Minuten Lesezeit 25 September 2019
IAA Protest

Warum wir Mobilität neu denken müssen, um das Klima zu retten

Von Peter Fuß

Senior Advisory Partner Advanced Manufacturing & Mobility | Deutschland, Schweiz, Österreich

Steht für Out-of-the-Box-Denken und pragmatische Lösungsansätze. Sieht die Zukunft der Mobilität nicht nur als berufliche Herausforderung – sondern als Leidenschaft.

3 Minuten Lesezeit 25 September 2019

Die Jugend geht gegen den Klimawandel auf die Straße, will aber nicht ganz aufs Auto verzichten. Wie lösen wir diesen Gegensatz auf?

Die Proteste vor den Toren der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main und weltweit bei den Fridays-for-Future-Demonstrationen zeigen: Die Jugend mobilisiert gegen den Klimawandel. Neben Kohlekraftwerken stellen die jungen Demonstranten vor allem den Auto-Verkehr an den Pranger. Gleichzeitig ist diese Generation sehr mobil. Und sie will es bleiben. Ein Widerspruch?

Sämtlichen Grabesreden zum Trotz: Das Auto ist nicht tot. Die längsten Schlangen auf der IAA – auch und gerade mit jungen Menschen – fanden sich an den Ständen der Supersportwagen und Luxus-Tuner. Zweitgrößter Besuchermagnet war der Gelände-Parcours, auf dem die vielgeschmähten SUVs über extreme Steigungen, in Schräglage und über Buckelpisten manövriert wurden. 

Fahren ja, Besitzen nein

Auch wenn die Aktivisten vor den IAA-Toren etwas anderes suggerieren: Die Begeisterung für das Auto ist bei der Jugend ungebrochen. Potenzielle Käufer sind sie jedoch nicht. Die junge Generation lebt nach der Devise: Fahren- gerne! Besitzen- nein, danke. Tanken, Reifenwechsel, TÜV, Steuern und Versicherungen haben keinen Coolness-Faktor. Junge Menschen wollen sich nicht mit den lästigen Verpflichtungen belasten, die mit dem Besitz eines Autos einhergehen. Das macht Car sharing für sie so interessant: einsteigen, losfahren, abstellen. Fertig.

Premium-Mobilität? Fehlanzeige

Die junge Generation denkt in anderen Kategorien: Sie will bequem mobil sein. Das schließt das Auto nicht aus. Aber es ist nur noch eine von vielen Möglichkeiten, von A nach B zu kommen, neben Bussen, Bahnen, Mietfahrrädern, Taxis, Mitfahrgelegenheiten oder E-Scootern. 

Genau hier wird es kompliziert: Denn die meisten Anbieter nutzen ihre eigenen, geschlossenen Systeme. Um die Angebote zu vergleichen, müsste man sich durch Dutzende Apps klicken. Die Nutzer – ob jung oder alt – wollen jedoch eine Lösung, die alle privaten und öffentlichen Anbieter transparent und bedienerfreundlich verknüpft. Keine isolierte Fortbewegung sondern integrierte Premium-Mobilität. 

Die Idee ist gut, hat aber einen Haken: Das gibt es (noch) nicht. Und das unschöne Gezanke darum, wer am Ende den Daumen auf den Kundendaten hat, macht wenig Hoffnung auf eine baldige Lösung.

Es ist ein Irrglaube, dass zusätzliche Angebote die Mobilitätsprobleme lösen.

Mehr Angebote lösen nicht das Problem

Mit Blick auf die junge Generation stellt sich also die Frage, ob wir bei der Verkehrswende mit Klimabonus auf dem richtigen Weg sind. Es werden Milliarden in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen investiert, wohl wissend, dass es kaum möglich sein wird, Abertausende von Autos, die in Frankfurt, München oder Berlin am Straßenrand parken, mit Strom zu versorgen. Selbst wenn die Logistik klappen sollte: Solange der Strom nicht aus regenerativen Quellen stammt, ist dem Klima nicht geholfen. E-Scooter verstopfen die Straßen in den Großstädten zusätzlich, dabei sollten sie doch den Autoverkehr reduzieren. Es ist ein Irrglaube, dass zusätzliche Angebote unsere Mobilitätsprobleme lösen.

Kleine Schritte zur großen Lösung

Müssen wir unsere Mobilität vielleicht komplett überdenken? Und zwar jeder Einzelne? Klar ist: Jeder weitere Online-Einkauf – der vor allem bei jungen Menschen extrem beliebt ist – sorgt dafür, dass immer mehr Paketzusteller Straßen, Bürgersteige und Radwege zuparken. Aber deswegen auf  Online-Shopping verzichten? Dazu sind nur wenige bereit. 

Ganz ohne Autos wird unser Leben, wie wir es heute führen, nicht funktionieren.

Klar ist auch: Jede Fahrt zur Arbeit verursacht Abgase und CO2. Mit mehr Homeoffice werden wir den Kampf gegen den Verkehrskollaps und die Klimaerwärmung jedoch nicht gewinnen. Im produzierenden Gewerbe ist Homeoffice nicht möglich. Und auch die meisten Schreibtischarbeiter verzichten darauf aus praktischen und sozialen Gründen. 

Ganz ohne Autos wird unser Leben, wie wir es heute führen, nicht funktionieren. Doch was spricht etwa gegen Fahrgemeinschaften oder von den Betrieben organisierte Shuttle-Services?

Jeder Einzelne muss sich fragen, was er in seiner täglichen Mobilitätsroutine ändern kann. Bei den Plastiktüten funktioniert das bereits. Seit die Bilder müllverseuchter Strände und Fische um die Welt gehen, suchen Supermärkte und Verbraucher aktiv nach Alternativen. Auch bei der klimafreundlichen Mobilität bringt es nichts, abzuwarten, bis jemand die eierlegende Wollmilchsau präsentiert. Wenn jeder Einzelne jedoch kleine Schritte macht, wird das in Summe ein Gewinn für alle.

Fazit

Die junge Generation sorgt sich um das Klima. Gleichzeitig ist sie mobil und will es auch bleiben. Nur anders als bisher: Statt Auto zu besitzen will die Jugend ein integriertes Mobilitätskonzept, mit Autos, Bussen, Bahnen, Fahrrädern und E-Scootern. Entsprechende Angebote dazu fehlen bisher- Zeit, dass jeder Einzelne sein Mobilitätsverhalten ändert.

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Von Peter Fuß

Senior Advisory Partner Advanced Manufacturing & Mobility | Deutschland, Schweiz, Österreich

Steht für Out-of-the-Box-Denken und pragmatische Lösungsansätze. Sieht die Zukunft der Mobilität nicht nur als berufliche Herausforderung – sondern als Leidenschaft.